
Human-Biomonitoring: Analyse ausgewählter Substanzen in Blut und Urin deutscher Kinder | Foto: ©angellodeco #211045328 – stock.adobe.com
Human-Biomonitoring dient der Erfassung von Schadstoffen in Blut oder Urin von Menschen. Das Umweltbundesamt hat von 2014 bis 2017 die Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) mit Kindern und Jugendlichen aus ganz Deutschland erarbeitet. Die Studie wurde vom Robert-Koch-Institut (RKI) im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt. Es handelt sich um die bislang einzige bundesweite bevölkerungsrepräsentative Erhebung von Schadstoffbelastungen in der Bevölkerung. Im Blut und Urin der Teilnehmer wurden 107 verschiedene Stoffe analysiert.
Auswahl der Teilnehmer für die Studie
Im Fokus der Studie des Umweltbundesamtes stand die junge Generation. Insgesamt 2.294 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 17 Jahren aus 167 deutschen Städten und Gemeinden nahmen an der repräsentativen Studie des Robert-Koch-Instituts teil. Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse repräsentativ sind, wurden die Teilnehmer nach einem Zufallsverfahren aus den Melderegistern der Gemeinden ausgewählt.
Kinder und Jugendliche sind aus verschiedenen Gründen eine Risikogruppe für Umweltbelastungen:
- Kleinkinder nehmen Schadstoffe intensiver auf, da sie auf dem Fußboden krabbeln, im Sand spielen oder viele Dinge in den Mund nehmen.
- Die Körper von Kindern und Jugendlichen befinden sich in der Entwicklung und sind in verschiedenen Wachstumsphasen besonders empfindlich gegenüber verschiedenen Einflüssen.
- Kinder und Jugendliche verarbeiten Schadstoffe und Umwelteinflüsse anders als Erwachsene.
- Im Verhältnis zum Körpergewicht nehmen Kinder mehr Schadstoffe auf als Erwachsene.

Im Fokus der Studie des Umweltbundesamtes stand die junge Generation | Foto: ©Aleksandr #558393182 – stock.adobe.com
Ziele der Studie
In der Studie wurde untersucht, wie Chemikalien und Umwelteinflüsse die Kinder und Jugendlichen in Deutschland belasten. Die Studie ermöglicht Rückschlüsse über die Wirkung der Schadstoffe und Umwelteinflüsse auf die Entwicklung und Gesundheit der jungen Generation.
Die aktuelle Belastung durch die Schadstoffe wurde ebenso geprüft wie die Herkunft der Schadstoffe, Belastungspfade, über die solche Schadstoffe aus der Umwelt zum Menschen gelangen, und die Veränderung der Belastung des Menschen durch die Umwelt in den letzten Jahren. Untersucht wurde auch, ob bestimmte Gruppen besonders belastet sind. Die Ergebnisse der Studie liefern Anhaltspunkte, wie jeder Einzelne die Umweltbelastungen vermeiden und seine Gesundheit fördern kann. Die Studie diente auch als Entscheidungsgrundlage für die Politik, um Regelungen zum Schutz von Mensch und Umwelt zu treffen.

In der Studie wurde untersucht, wie Chemikalien und Umwelteinflüsse die Kinder und Jugendlichen in Deutschland belasten | Foto: ©BGStock72 #387736389 – stock.adobe.com
Human-Biomonitoring als Untersuchungsmethode
Human-Biomonitoring bildete den Schwerpunkt der Untersuchung von körpereigenem Material der Teilnehmer. Von den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen wurden Blut- und Urinproben auf Umweltschadstoffe untersucht. Zusätzlich wurden Umweltbelastungen im Wohnumfeld der Teilnehmer herangezogen. Hausstaub, Trinkwasser und die Innenraumluft wurden analysiert. Im Wohnumfeld wurde der Schallpegel gemessen.
Mit den Teilnehmern und deren Eltern wurden standardisierte Interviews zu Wohnumfeld, Ausstattung der Wohnung, umweltrelevanten Verhaltensweisen, Produktanwendungen und Ernährungsgewohnheiten geführt.
Zusätzlich wurden mit Einverständnis der Teilnehmer und deren Eltern Teile der Blut- und Urinproben eingefroren, um sie zu einem späteren Zeitpunkt auf Umweltschadstoffe zu untersuchen, wenn neue Analysemethoden möglich sind.
Das Umweltbundesamt beauftragte die Kantar Health GmbH mit Probennahmen, Messungen vor Ort und Befragungen. Die teilnehmenden Familien wurden zu Hause besucht. Dabei wurden folgende Proben genommen und Messungen vorgenommen:
- Trinkwasserproben aus dem Haushalt
- Bestimmung des Schallpegels
- Morgenurinprobe der Teilnehmer
- Messung von ultrafeinen Partikeln in der Raumluft
Die Eltern oder Sorgeberechtigten von Teilnehmern ab elf Jahren wurden hinsichtlich einer möglichen Schadstoffbelastung befragt. Zusätzlich wurden den Eltern Fragen zur Gesundheit ihrer Kinder gestellt.
Bei einigen Teilnehmern der Studie wurden Staubsaugerbeutel eingesammelt, flüchtige organische Umweltschadstoffe aus der Raumluft mit kleinen Sammlern erfasst und Feinstaub in Innenraum- und Außenraumluft mit Kleinfilter-Sammelbehältern gesammelt.
Schadstoffbelastung in Urin und Blut der Teilnehmer
Die Wissenschaftler des Umweltbundesamtes untersuchten im Rahmen der Studie Morgenurin und Blut der Teilnehmer auf verschiedene Umweltschadstoffe. Solche Schadstoffe können aus verschiedenen Quellen stammen und über unterschiedliche Wege in den Körper gelangen. Beim Human-Biomonitoring kam es auf ein empfindliches und spezifisches analytisches Nachweisverfahren an.
Urin oder Blut der Teilnehmer wurden unter anderem auf die folgenden Substanzen untersucht:
- Weichmacher
- Parabene, die als Konservierungsstoffe eingesetzt werden
- Cotinin als Nikotin-Abbauprodukt
- polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die bei Verbrennungsprozessen entstehen
- per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFAS)
- langlebige polychlorierte Biphenyle (PCB)
- verschiedene Metalle
Einige solcher Substanzen weisen eine hormonähnliche Wirkung auf oder können die Entstehung von Krebs begünstigen. Verschiedene solche Stoffe schädigen das Nervensystem oder sind an der Entstehung von Allergien beteiligt.
Weichmacher im Urin
Weichmacher werden spröden Materialien zugesetzt, um sie weich und biegsam zu machen. Phthalate sind eine weit verbreitete Gruppe dieser Weichmacher. Solche Weichmacher können in Kinderspielzeug, Schläuchen, Dichtungen, Bodenbelägen, Teppichböden oder Lebensmittelfolien enthalten sein. Einige Phthalate sind aufgrund ihrer hormonähnlichen Wirkung fortpflanzungsschädigend.
Einige Phthalate sind seit 2015 aufgrund der gesundheitlichen Bedenken in ihrer Verwendung stark eingeschränkt und dürfen nur noch mit einer speziellen Genehmigung genutzt werden.
Phthalate werden vergleichsweise schnell im Körper abgebaut. Im Urin werden Phthalatmetabolite als Stoffwechselprodukte nachgewiesen. In der Studie wurde die Konzentration von zehn verschiedenen Phthalaten im Urin von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Phthalat-Ersatzstoffen bestimmt.
Parabene im Urin
Parabene dienen als Konservierungsmittel und werden in Medikamenten, Nahrungsmitteln und kosmetischen Produkten genutzt. In kosmetischen Produkten werden sie vorrangig über die Haut aufgenommen. Aus Nahrungsmitteln und Medikamenten gelangen sie über den Mund in den Organismus. In Versuchen mit Zellkulturen und in Tierversuchen wurde bei einigen Parabenen eine hormonähnliche Wirkung nachgewiesen. Im Urin der Studienteilnehmer wurden unterschiedlich lange und verzweigte Parabene bestimmt.

Parabene dienen als Konservierungsmittel und werden in Medikamenten, Nahrungsmitteln und kosmetischen Produkten genutzt | Foto: ©Monika Wisniewska #104860112 – stock.adobe.com
Cotinin im Urin
Cotinin ist ein Abbauprodukt von Nikotin und kann durch Passivrauchen von Kindern und Jugendlichen aufgenommen werden. Tabakrauch enthält mehr als 70 verschiedene Schadstoffe, die von Nichtrauchern beim Passivrauchen aufgenommen werden. Im Kindesalter ist Passivrauchen mit vielen gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden. Es kann Erkrankungen wie Asthma oder Bronchitis begünstigen. Schon nach wenigen Stunden ist Nikotin im Urin nicht mehr nachweisbar.
Daher wurde bei den Studienteilnehmern das Nikotinabbauprodukt Cotinin im Urin bestimmt. Es ist im Urin nach dem Kontakt mit Nikotin noch ein bis zwei Tage lang nachweisbar. Bei Kindern und Nichtrauchern kann es auch noch länger nachgewiesen werden.
PAK im Urin
Bei der Verbrennung von organischem Material wie Kohle, Holz oder Öl entstehen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Sie kommen auch in Ruß, Teer und gebrauchten Motorölen vor.
Sie können das Erbgut schädigen, die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen oder krebserregend sein. Kinder reagieren auf PAK empfindlicher als Erwachsene.
Pyrrolidone in Urin und Blut
Pyrrolidone werden bei verschiedenen technischen Anwendungen als Lösungsmittel genutzt. Kinder und Jugendliche können diese Stoffe bei der Nutzung von Farb- und Graffiti-Entfernern, über Auslegeware oder Farben in Innenräumen aufnehmen. NMP ist ein Pyrrolidon, das beim Menschen als entwicklungs- und reproduktionstoxisch gilt.
Es wird daher immer häufiger durch NEP, ein weiteres Pyrrolidon, ersetzt, das gegenwärtig noch nicht als reproduktionstoxisch eingestuft wurde. Es verfügt jedoch über toxikologisch ähnliche Eigenschaften wie NMP. Im Urin können verschiedene Stoffwechselprodukte von NMP und NEP nachgewiesen werden, sodass sich eine Belastung bestimmen lässt.

Pyrrolidone werden bei verschiedenen technischen Anwendungen als Lösungsmittel genutzt | Foto: ©kiattisak #645436647 – stock.adobe.com
Per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe im Blut
Im Rahmen der Studie wurden zwölf verschiedene per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe im Blut nachgewiesen. Bei diesen PFAS handelt es sich um langlebige synthetische Substanzen, die sich in der Umwelt und im Menschen anreichern. Am bekanntesten sind Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA). PFOS ist Bestandteil von öl-, wasser- und schmutzabweisenden Beschichtungen von Küchengeschirr, Lebensmittelverpackungen oder Textilien. PFOA wird in der Elektro- und Halbleiterindustrie, in der Luft- und Raumfahrt und in Textilien verwendet. In Langzeit-Tierversuchen wurde die Begünstigung der Entstehung von Tumoren durch PFOA und PFOS nachgewiesen. Einige PFAS können sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken.
Polychlorierte Biphenyle im Blut
Polychlorierte Biphenyle dürfen in Deutschland bereits seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellt und verwendet werden.
Diese Substanzen können jedoch aufgrund ihrer Langlebigkeit und ihrer Anreicherung in der Umwelt durch Lebensmittel aufgenommen werden.
Sie wirken neuro- und immuntoxisch und können krebsfördernd sein. In der Studie wurden sieben verschiedene Verbindungen von solchen PCB im Blut bestimmt.
Metalle in Blut und Urin
Der menschliche Organismus benötigt verschiedene Metalle wie Eisen, Kupfer oder Zink zum Leben. Andere Metalle wie Quecksilber oder Cadmium sind bereits in geringer Konzentration schädlich. Solche Metalle können über Boden- und Staubpartikel, Trinkwasser, Nahrung oder Tabakrauch aufgenommen werden.
Quecksilber kommt in der Umwelt natürlich vor und wird bei Industrieprozessen freigesetzt. Quecksilber ist in Energiesparlampen enthalten. Zerbrechen sie, kann Quecksilberdampf in die Umwelt gelangen. Zahnfüllungen aus Amalgam, aber auch Fische können den Organismus mit Quecksilber belasten. Eine hohe Belastung mit Quecksilber kann Nieren, Magen und Zentralnervensystem schädigen. In der Studie wurde die Quecksilberkonzentration im Urin der Teilnehmer bestimmt.
Cadmium kommt natürlich in der Umwelt vor, darunter im Boden und in Gewässern. Es wird bei der industriellen Gewinnung von Metallen, bei der Produktion von Lacken und von Batterien freigesetzt. Rauchen und Passivrauchen sind die Hauptbelastungsquellen für Cadmium. Es kann auch in Nahrungsmitteln enthalten sein. Bei einer chronischen Exposition kann Cadmium zu Nierenschäden führen. Im Blut zeigt es eine kurzzeitige Belastung an. Eine lebenslange Belastung ist im Urin nachweisbar.