
Umweltchemikalien, die auf das Hormonsystem wirken – Belastungen, Auswirkungen, Minderungsstrategien | Foto: ©kamonrat #1397810359 – stock.adobe.com
In der Umwelt treten verschiedene Chemikalien auf, die im empfindlichen Ökosystem eine wichtige Rolle spielen. Sie können die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen beeinträchtigen. Solche Umweltchemikalien befinden sich in der Luft, im Boden und im Wasser. Verschiedene dieser Umweltchemikalien wirken sich auf das Hormonsystem von Menschen und Tieren aus. Hinweise darauf, dass diese hormonähnlich wirkenden Umweltchemikalien die menschliche Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen, liegen seit Anfang der 1990er Jahre vor. Die Europäische Kommission hat für einige dieser Chemikalien Beschränkungen festgelegt, um den Eintrag dieser Stoffe in die Umwelt zu reduzieren. Das Umweltbundesamt prüft die Umweltwirkung der Chemikalien und bewertet die Risiken für die Umwelt.
Belastung der Umwelt mit Chemikalien, die auf das Hormonsystem wirken
Umweltchemikalien mit hormonähnlicher Wirkung kommen in unterschiedlicher Konzentration in Luft, Boden und Wasser vor. Angaben über eine genaue Konzentration einzelner Chemikalien sind kaum möglich. Die Chemikalien gelangen auf unterschiedliche Weise in die Umwelt. Sie können als Weichmacher (Phthalate) in verschiedenen Produkten enthalten sein und durch Ausdünstungen in die Umwelt gelangen. Umweltchemikalien können auch aus Flammschutzmitteln in Baumaterial und Konsumgütern an die Umwelt abgegeben werden. Farben, Lacke und andere Stoffe enthalten verschiedene Chemikalien, die unterschiedlich schnell freigesetzt werden und dann die Umwelt belasten.
Hormonähnlich wirkende Chemikalien können auch in Kleidung, Reinigungsmitteln und Kosmetikprodukten enthalten sein. Sie gelangen über Abwasser oder Klärschlamm in die Umwelt und können auch das Grundwasser belasten. Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Insektizide enthalten ebenfalls verschiedene Chemikalien, die ähnlich wie Hormone wirken und bei der Anwendung der Produkte in Boden, Luft und Wasser gelangen. Einige Pestizide oder Insektizide sind bereits verboten. Das sind nur einige Beispiele für Umweltchemikalien und deren Emission an die Umwelt.
Bereits in geringster Dosis können Umweltchemikalien ein Risiko für Umwelt und Gesundheit darstellen.
Die Wissenschaft diskutiert darüber, welche Stoffe und Stoffgruppen sich auf das endokrine System auswirken und die Gesundheit beeinträchtigen. Studien über die Wirkung einiger dieser Chemikalien auf den menschlichen Hormonhaushalt und die Gesundheit liegen bereits vor. Verschiedene hormonähnlich wirkende Umweltchemikalien kommen fast überall in der Umwelt vor und sind Bestandteile zahlreicher im Alltag verwendeter Produkte. Sie werden mitunter von der Industrie in riesigen Mengen produziert.

Umweltchemikalien mit hormonähnlicher Wirkung kommen in unterschiedlicher Konzentration in Luft, Boden und Wasser vor | Foto: ©Suhud #1260806969 – stock.adobe.com
Wirkung von Umweltchemikalien auf das Hormonsystem
Tierexperimentelle und epidemiologische Studien lieferten in den letzten 20 Jahren verstärkt Hinweise auf Umweltchemikalien mit hormonähnlicher Wirkung, die zahlreiche Wirkungsmechanismen zeigen und in hormonelle Abläufe eingreifen. Sie verändern hormonelle Abläufe und führen zu hormonabhängigen Erkrankungen und anderen Gesundheitsstörungen bei Menschen. Solche Umweltchemikalien werden aufgrund der Wirkung auf das Hormonsystem als Endokrine Disruptoren (ED) oder Umwelthormone bezeichnet.
Endokrine Disruptoren können die Fortpflanzung von Lebewesen schädigen und das Geschlechtsverhältnis von ganzen Populationen verändern.
Vermännlichungen oder Verweiblichungen können verstärkt auftreten. Es kann auch zum Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit kommen.
Hormonabhängige Erkrankungen und geringere Fertilität durch Umwelthormone
Endokrine Disruptoren können hormonelle Vorgänge beeinflussen und werden mitunter als Ursache für das gehäufte Auftreten von hormonabhängigen Tumoren angenommen. Solche Tumoren können Hodenkrebs, Prostatakrebs oder Brustkrebs sein. Auch Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas oder Diabetes mellitus können durch solche Umwelthormone verstärkt auftreten. Wissenschaftler diskutieren auch, dass Umwelthormone das Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten wie Aufmerksamkeits-(Hyperaktivitäts-)Syndrom (ADS oder ADHS) oder Autismus sowie von neurologischen Erkrankungen wie Demenz oder Alzheimer begünstigt. Die Pubertätsentwicklung kann durch den Einfluss von Umwelthormonen verfrüht einsetzen. Es kann zu Fehlbildungen der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane und einer abnehmenden Fertilität durch verminderte Spermienqualität kommen.
Tierstudien und Beobachtungen bei Menschen deuten darauf hin, dass Umwelthormone zumindest teilweise das menschliche Hormonsystem beeinträchtigen. Umweltchemikalien können die menschliche Entwicklung vor der Geburt und in der frühen Kindheit beeinflussen. Auch noch im späteren Leben können sie die Entstehung von Krankheiten begünstigen.

Endokrine Disruptoren können hormonelle Vorgänge beeinflussen und werden mitunter als Ursache für das gehäufte Auftreten von hormonabhängigen Tumoren angenommen | Foto: ©David A Litman #289127639 – stock.adobe.com
Reproduktionsschäden durch Endokrine Disruptoren
Feld-Beobachtungen und experimentelle Studien zeigen, dass Umweltchemikalien zu Reproduktionsschäden führen können, da sie eine hormonähnliche Wirkung haben und beispielsweise östrogenähnliche Eigenschaften aufweisen. Bei verschiedenen Tierarten wie Fischen, Reptilien, Vögeln oder Säugetieren wurden Missbildungen, aber auch Entwicklungs- und Verhaltensstörungen beobachtet. Die Tiere nehmen die Umweltchemikalien über ihre Nahrung auf.
Bereits Ende der 1980er Jahre wurden solche Beobachtungen in einer Arbeitshypothese zusammengefasst. Östrogen- beziehungsweise hormonähnliche Eigenschaften wurden bei vielen persistenten und bioakkumulierbaren Umweltchemikalien wie verschiedenen Pestiziden, Dioxinen, DDT oder PCB nachgewiesen. Sie können Hormonwirkungen über eine Rezeptorbindung oder Rezeptorblockade auslösen oder unterdrücken. Sie regen den körpereigenen Entgiftungsmechanismus an, was nicht nur positive Wirkungen hat. Das System der mischfunktionellen Oxygenasen führt dazu, dass nicht nur Schadstoffe, sondern auch Hormone um- oder abgebaut werden. Die hormonelle Steuerung von Entwicklungs- und Reproduktionsprozessen nimmt daher eine Schlüsselrolle ein.
Zahlreiche epidemiologische Studien lieferten bereits deutliche Hinweise auf zunehmende Reproduktionsschäden bei Menschen. Solche Reproduktionsschäden treten verstärkt bei Männern auf. Es kann zu Missbildungen des Sexualtrakts, Hodenkrebs oder Verminderung der Spermienqualität kommen. Die verstärkte Belastung mit Umweltchemikalien führte Anfang der 1990er Jahre dazu, dass solche Reproduktionsschäden beim Menschen verstärkt beobachtet wurden.
Wirkung der Umweltchemikalien abhängig vom Alter der Menschen und in einem bestimmten Zeitfenster
Die Gefährdung durch Umweltchemikalien mit Hormonwirkung ist am stärksten bei Ungeborenen, Neugeborenen, Kleinkindern und Kindern in der Pubertät. Die Entwicklung wird durch Hormone kontrolliert. Endokrine Disruptoren müssen innerhalb eines bestimmten Zeitfensters in einer bestimmten Menge vorhanden sein, damit die Wirkung eintritt. In frühen Lebensabschnitten können sich solche Substanzen bereits in geringer Konzentration auswirken. In späteren Lebensphasen zeigen sie mitunter völlig andere oder gar keine Wirkungen. Schäden bleiben ein Leben lang bestehen, wenn sie bereits bei Ungeborenen auftreten.
Wissenschaftler diskutieren darüber, ob eine Exposition mit Umwelthormonen im Fetalstadium und nach der Geburt zu verschiedenen Krebserkrankungen führt.
In vielen Industrienationen wie Schweden oder Deutschland setzt die Pubertät bei Mädchen vielfach verfrüht ein. Die verringerte Spermienzahl bei Männern führt zu einer verringerten Zeugungsfähigkeit. Auch hier besteht der Verdacht, dass Umweltchemikalien die Ursache sind. In Tierexperimenten konnten solche ursächlichen Zusammenhänge bereits nachgewiesen werden.
Nicht immer ist die aktuelle Exposition mit Umwelthormonen die Ursache für Hodenkrebs bei jungen Männern. Epidemiologische Studien aus Schweden und Deutschland zeigen, dass die ehemalige Belastung der Mütter mit solchen Chemikalien eine Ursache ist.
Umweltchemikalien und deren Wirkung
Bei den Umweltchemikalien mit hormonähnlicher Wirkung handelt es sich um DDT, PCBs und andere Pestizide, aber auch um verschiedene Schwermetalle, Chlororganika, Schwermetallverbindungen und Phthalate. Die Wirkmechanismen sind bislang nur teilweise bekannt. Studien zeigen, dass solche Substanzen den Steroid-Metabolismus stören und sich negativ auf die Hormonbalance auswirken. Sie haben auch eine direkte hormonähnliche Wirkung.
Die Chemikalien sind gesundheitlich bedenklich, da Hormone schon in außerordentlich geringen Konzentrationen zu irreversiblen Schädigungen in sensiblen Entwicklungsphasen führen.
Die Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien legen einen Zusammenhang zwischen der Wirkung von Umwelthormonen und dem Auftreten verschiedener Erkrankungen nahe. Verschiedene Faktoren erschweren jedoch den endgültigen Nachweis des Zusammenhangs. Zwischen dem Einwirken der Schadstoffe und der Ausbildung einer Erkrankung liegen oft Jahre oder Jahrzehnte. Die unterschiedliche Empfindlichkeit des menschlichen Organismus führt in den verschiedenen Entwicklungsphasen zu unterschiedlichen Effekten, die oft nicht nachweisbar sind.

Bei den Umweltchemikalien mit hormonähnlicher Wirkung handelt es sich um DDT, PCBs und andere Pestizide, aber auch um verschiedene Schwermetalle, Chlororganika, Schwermetallverbindungen und Phthalate | Foto: ©luchschenF #599377603 – stock.adobe.com
Minderungsstrategien für Umweltchemikalien mit hormonähnlicher Wirkung
Die ersten Schritte zur Minderung von Umwelthormonen hat die EU bereits mit der Verordnung 1907/2006 über die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von chemischen Stoffen (REACH) vorgenommen. REACH erfasst alle Chemikalien, für die es keine speziellen gesetzlichen Regelungen gibt. REACH sieht vor, dass bestimmte Chemikalien zulassungspflichtig oder verboten werden. Hersteller müssen garantieren, dass Gesundheit und Umwelt durch solche Chemikalien nicht übermäßig belastet werden.
REACH registriert besorgniserregende Stoffe, die sich in Organismen anreichern und giftig sind. Endokrine Disruptoren gehören dazu.
Die Europäische Chemikalienagentur hat ein Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis entwickelt, um solche Chemikalien zu erfassen. Es ist nicht bekannt, wie viele verschiedene Umwelthormone verwendet werden. Nicht für alle diese Stoffe besteht Meldepflicht. Chemikalienhersteller und -importeure mussten bis 2018 schrittweise fast alle Chemikalien registrieren, von denen jährlich mehr als eine Tonne innerhalb der EU hergestellt oder importiert wurden. Bis zum 31. Juli 2024 wurden bereits 22.773 solcher Stoffe registriert.
Maßnahmen des Umweltbundesamtes
Bei der gesetzlichen Stoffprüfung bewertet das Umweltbundesamt die Wirkung der Chemikalien auf die Umwelt. Es führt keine eigenen Untersuchungen durch, sondern prüft die Daten, die von Antragstellern eingereicht wurden. Es bewertet die Risiken für die Umwelt.
Für verschiedene Chemikalien liegen gesetzliche Stoffregelungen vor. Sie geben die Informationen und Testergebnisse vor, die Unternehmen vorlegen müssen, wenn sie ein Produkt auf den Markt bringen wollen. Bei der Markteinführung sollen künftig neue Tests vorgelegt werden, darunter zur endokrinen Wirkung solcher Chemikalien.

Bei der gesetzlichen Stoffprüfung bewertet das Umweltbundesamt die Wirkung der Chemikalien auf die Umwelt | Foto: ©BalanceFormCreative #135301177 – stock.adobe.com
Minderungsstrategie nach dem Vorsorgeprinzip
Das Gefährdungspotenzial für den Menschen durch Umwelthormone lässt sich aktuell nicht konkretisieren. Dennoch wird zur Vorsicht mit solchen Endokrinen Disruptoren gemahnt.
Die Chemikaliengesetzgebung reguliert verschiedene Umweltchemikalien mit hormonähnlicher Wirkung bereits wegen ihrer toxischen Eigenschaften.
Sie sind bereits zulassungsbeschränkt oder verboten. Zusätzlich ist geplant, Kriterien und Testmethoden zu erarbeiten, um die hormonelle Aktivität solcher Stoffe zu erfassen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die EU haben bereits umfassende Berichte erstellt, die helfen sollen, solche hormonaktiven Substanzen zu identifizieren.
Festlegung von Höchstwerten
Für verschiedene Chemikalien gelten Verbote oder Höchstwerte. Verschiedene Chemikalien wurden in Flammschutzmitteln verboten, ebenso gilt ein Verbot von Phthalaten in Beißringen und Babyschnullern. Bei der Bewertung und Risikoabschätzung von Chemikalien ist das NOAEL (No Observed Adverse Effect Level) eine wichtige Kenngröße. Es bezieht einen Sicherheitsfaktor ein, der die Höchstmenge eines Stoffes in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag beschreibt, damit eine lebenslange Aufnahme unbedenklich für die Familie ist. Die Wirkung einer Substanz auf den Menschen wird zur Risikobewertung getestet. Für Böden in landwirtschaftlicher Nutzung, Kinderspielplätze und Trinkwasser gelten bereits stoffspezifische Grenz- und Richtwerte.