
Stoffmonographie Blei Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte | Foto: ©James Thew #322101536 – stock.adobe.com
Die Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes hat bereits 1996 eine Stoffmonographie zu Blei erstellt und die Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte veröffentlicht. Die Referenzwerte wurden 2002 aktualisiert, nachdem sich die Kommission erneut mit der Wirkung von Blei auf den menschlichen Organismus beschäftigt hat. Vergiftungsfälle zeigen, dass Blei ein akut toxisches Schwermetall ist. Kritisch ist die Wirkung von Blei insbesondere auf den sich entwickelnden Organismus. Die toxische Wirkung betrifft das Nervensystem, doch wirkt sich Blei auch auf das Endokrinum aus und wurde als wahrscheinlich krebserzeugend eingestuft.
Wirkung von Blei auf den Menschen
Die Wirkung von Blei auf den Menschen wurde in verschiedenen Studien untersucht. Blei hat im Niedrigdosisbereich chronische Wirkungen auf das Nerven- und Blutbildungssystem sowie auf die Nieren. Die ersten Funktionsstörungen von Nieren und Nervensystem treten laut Studien von Wilhelm und Ewers von 1993, Bernard et al. von 1995 sowie der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1996 bei einer Blutbleikonzentration von 100 Mikrogramm pro Liter Blut auf. Zu den Risikogruppen gehören Kinder, Frauen im gebärfähigen Alter und Personen mit Mangelernährung. Die Bleiresorption über den Magen-Darm-Trakt wird durch einen Mangel an Eisen, Kalzium, Zink und Phosphat erhöht.
Gegenüber Blei ist vor allem das Nervensystem empfindlich. Neurologische Veränderungen bei Kindern sind bei einem Blutbleigehalt von 100 bis 300 Mikrogramm pro Liter zu beobachten. Sie zeigen sich als persistierende und möglicherweise irreversible Intelligenzdefizite. Es kann auch zu psychomotorischen Defiziten kommen.
Wie eine epidemiologische Studie zeigt, treten adverse neurotoxische Effekte bereits bei Blutbleigehalten von weniger als 100 Mikrogramm pro Liter auf.
Zu subtilen Nierenfunktionsstörungen kommt es bei Kindern schon bei einer Blutbleikonzentration ab ungefähr 100 Mikrogramm pro Liter, wie die Studie von Bernard et al. von 1995 ergab. Bei einer solchen Nierenfunktionsstörung kommt es zu einer erhöhten renalen Ausscheidung von retinolbindendem Protein. Die Synthese des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin wird durch Blei auf mehreren Stufen beeinträchtigt, da Blei verschiedene Enzyme und den Einbau von Eisen hemmt. Bei Blutbleiwerten ab 200 Mikrogramm pro Liter kann bei Kindern bereits eine Anämie auftreten.
Der kritische Bleieffekt bei Erwachsenen liegt bei einer Blutbleikonzentration von 50 bis 350 Mikrogramm pro Liter. Bei einer solchen Blutbleikonzentration können sich die systolischen und diastolischen Blutdruckwerte erhöhen. Der blutdruckerhöhende Effekt von Blei ist jedoch nur gering.
Bei Kindern können bei Blutbleiwerten von 150 bis 250 Mikrogramm pro Liter Wachstumsstörungen auftreten. Sie sind in einer Störung des Vitamin-D-Stoffwechsels sowie einem beeinträchtigten Kalzium-Stoffwechsel zurückzuführen. Zusätzlich kann das gestörte Hypophysen-Schilddrüsen-System beeinträchtigt sein und das Wachstum negativ beeinflussen.

Wirkung von Blei auf den Menschen | Foto: ©Goss Vitalij #30884518 – stock.adobe.com
Wirkung von Blei auf das Zentrale Nervensystem (ZNS)
Bei Kindern kann ein erhöhter Blutbleigehalt nicht nur zu verminderten Intelligenzleistungen führen. Es kann auch zu verminderten Aufmerksamkeits- und Reaktionsleistungen, Verhaltensstörungen und Hörschwellenverschiebungen kommen. Eine pränatale Exposition kann sich auf die kindliche Entwicklung auswirken und möglicherweise auch das Hyperkinetische Syndrom (Attention Deficit Hyperactivity Disorder, ADHS) begünstigen, wie verschiedene Studien zeigen.
Endokrine Effekte durch Blei
Auswertungen des National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES III) von 1988 bis 1994 zufolge kann sich Blei auf das Endokrinum des Menschen auswirken. Von 1.706 US-amerikanischen Mädchen im Alter von 8 bis 16 Jahren wurden Informationen zur Schamhaar- und Brustentwicklung gesammelt. Informationen zum Eintritt der ersten Regelblutung wurden von 1.235 Mädchen im Alter von 10 bis 16 Jahren erfasst. Bei den Mädchen wurde eine Blutbleikonzentration von 7 bis 217 Mikrogramm pro Liter gemessen. Blei hatte keine Auswirkungen auf die Brustentwicklung. Die erste Regelblutung und das Schamhaarwachstum traten umso später ein, je höher die Blutbleikonzentration war.
Mehrere Studien deuten darauf hin, dass schon bei einem Blutbleigehalt von weniger als 100 Mikrogramm pro Liter die sexuelle Reifung von Mädchen verspätet eintritt.
Eine Untersuchung von 489 Jungen aus dem russischen Chapaevsk im Alter von acht bis neun Jahren zeigte, dass sich Blei invers auf Körpergröße, Gewicht und Pubertätsbeginn auswirkt.
Kanzerogenität von Blei
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stufte im Jahr 2006 Blei und dessen anorganischen Verbindungen als wahrscheinlich krebserzeugend ein. Die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewertete erneut das krebserzeugende Potenzial von Blei. Hinsichtlich der kanzerogenen Wirkung wurde Blei in die Kategorie 2 eingestuft. Die Studien wurden an Beschäftigten in der Batterieherstellung und in Bleischmelzereien durchgeführt. Laut einer Metaanalyse ist das Risiko für Magen- und Lungenkrebs erhöht.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stufte im Jahr 2006 Blei und dessen anorganischen Verbindungen als wahrscheinlich krebserzeugend ein | Foto: ©peterschreiber.media #293584799 – stock.adobe.com
Bestimmung der Bleibelastung von Menschen
Um Referenzwerte für Blei festzulegen, kann die Bleibelastung im menschlichen Körper nicht nur im Blut, sondern auch in Urin, Zähnen und Haaren erfasst werden. Für die Bestimmung der Bleibelastung eignet sich die Bleibestimmung im Blut am besten. Sie erfolgt im Vollblut, denn ungefähr 95 Prozent des im Blut vorkommenden Bleis sind an die Membran der roten Blutkörperchen gebunden.
Für die Untersuchung eignet sich Venenblut besser als Kapillarblut.
Referenzwerte von Blei
Die Messwerte der Belastung von Blei bei Menschen können mit Referenzwerten und mit Human-Biomonitoring-Werten verglichen werden. Unterschiede bestehen bei Referenzwerten und bei Human-Biomonitoring-Werten hinsichtlich der Aussagekraft.
Referenzwerte informieren über die obere Grenze der allgemeinen Grundbelastung der Bevölkerung zur Zeit der Untersuchung. Sie liefern keine Anhaltspunkte über die Gesundheitsgefährdung, doch können sie bei der Identifikation von überdurchschnittlich belasteten Personen helfen.
Die Kommission Human-Biomonitoring hat 1998 aufgrund eines Umweltsurveys Referenzwerte für Blei festgelegt. Sie wurden 2002 überarbeitet. Bei Messungen an Einzelpersonen ist eine analytische Unsicherheit von 10 bis 20 Mikrogramm Blei pro Liter Blut zu berücksichtigen.
Die folgenden Referenzwerte gelten:
- für Männer im Alter von 18 bis 69 Jahren: 90 Mikrogramm Blei pro Liter Blut
- für Frauen im Alter von 18 bis 69 Jahren: 70 Mikrogramm Blei pro Liter Blut
Für Kinder hat die Kommission Human-Biomonitoring im Jahr 2009 aktuelle Referenzwerte auf der Grundlage des Kinder-Umwelt-Surveys von 2003 und 2006 festgelegt. Sie liegen für Kinder im Alter von 3 bis 14 Jahren bei 35 Mikrogramm Blei pro Liter Blut.
Werden diese Werte überschritten, sollte eine Nachkontrolle erfolgen. Bestätigt sich der Verdacht einer erhöhten Belastung, muss nach der Bleiquelle geforscht werden.

Die Messwerte der Belastung von Blei bei Menschen können mit Referenzwerten und mit Human-Biomonitoring-Werten verglichen werden | Foto: ©filin174 #319612966 – stock.adobe.com
Human-Biomonitoring-Werte von Blei
Die Kommission Human-Biomonitoring hat die Human-Biomonitoring-Werte von Blei für Risikogruppen und übrige Personengruppen festgelegt. Risikogruppen sind Kinder im Alter bis einschließlich zwölf Jahren sowie Mädchen und Frauen im Alter von 13 bis 45 Jahren. Blei kann über die Plazenta ungehindert in den fetalen Blutkreislauf übertreten und ist pränatal bereits ab der zwölften Schwangerschaftswoche nachweisbar. Durch Hand-zu-Mund-Aktivitäten nehmen Kinder im Alter bis zu sechs Jahren mehr Blei auf als Erwachsene. Wissenschaftler schätzen die gastrointestinale Absorptionsquote bei Erwachsenen auf 10 Prozent und bei Kindern auf 50 Prozent.
Die Human-Biomonitoring-Werte HBM-I und HBM-II von Blei im Blut wurden von der Kommission Human-Biomonitoring inzwischen für alle Personengruppen ausgesetzt. Die Kommission begründet ihre Entscheidung mit einer fehlenden Wirkschwelle.
Bis zur Aussetzung galten die folgenden Human-Biomonitoring-Werte für Blei:
- HBM-I für Risikogruppen: 100 Mikrogramm Blei pro Liter Blut
- HBM-I für übrige Personengruppen: 150 Mikrogramm Blei pro Liter Blut
- HBM-II für Risikogruppen: 150 Mikrogramm Blei pro Liter Blut
- HBM-II für übrige Personengruppen: 250 Mikrogramm Blei pro Liter Blut
Maßnahmen bei Überschreitung der Human-Biomonitoring-Werte
Werden die inzwischen ausgesetzten Human-Biomonitoring-Werte von Blei überschritten, sind verschiedene Maßnahmen abhängig von der Blutbleikonzentration notwendig. Der erhaltene Wert sollte zunächst analytisch geprüft werden.
Als medizinischer Notfall sind Kinder mit einer Blutbleikonzentration von mehr als 700 Mikrogramm pro Liter zu behandeln, die jedoch umweltmedizinisch selten vorkommt.
Eine stationäre medizinische Behandlung ist auch bei Werten von 450 bis 690 Mikrogramm Blei pro Liter Blut bei Kindern notwendig. Eine stationäre Chelatbildnertherapie wird ab Blutbleiwerten von mehr als 450 Mikrogramm pro Liter empfohlen. Bevor das Kind in sein Umfeld zurückkehrt, muss dort eine Sanierung erfolgen. Bei einer Blutbleikonzentration von 200 bis 450 Mikrogramm pro Liter sollte bei Kindern eine Aufklärung der Ursachen in Kombination mit Sanierungsmaßnahmen innerhalb von zehn Tagen erfolgen.
Grenzwerte für Blei
Eine umweltschädliche Grenze für Blei als Umweltschadstoff wurde nicht gefunden. In den vergangenen Jahren wurden die Grenzwerte wiederholt nach unten korrigiert. Die Trinkwasserverordnung in ihrer aktuell gültigen Fassung schreibt seit Dezember 2013 einen Grenzwert von Blei bei Trinkwasser von 0,01 Milligramm pro Liter vor. Dieser Wert wurde von Umweltmedizinern noch immer als zu hoch eingestuft. Aus Kostengründen ist eine Absenkung jedoch kaum realistisch.