
Auswirkungen von Hormonen auf Fische | Foto: ©Michael #1457333044 – stock.adobe.com
Verschiedene Fische sind von Natur aus gleichzeitig männlich und weiblich, da deren Gonaden Eierstock- und Hodengewebe enthalten. Andere Fische ändern im Laufe der Zeit aufgrund bestimmter Umstände ihr Geschlecht. Das ist normal und liegt an der Art. Forscher stellen jedoch seit einigen Jahren auch Veränderungen der Geschlechtsorgane von Fischen aufgrund hormoneller Einflüsse von außen fest. Die Gewässer sind mit verschiedenen hormonellen Schadstoffen belastet, die sich auf unterschiedliche Weise auf die Fische auswirken. Die Wirkung solcher Hormone auf Fische wird in verschiedenen Studien untersucht.
Beeinträchtigung der Fortpflanzung von Fischen durch synthetische Östrogene
Synthetische Hormone wie Östrogene sind in der Antibabypille und anderen Medikamenten enthalten und entstehen als Abbauprodukte von Pestiziden oder Kunststoffen. Über Kläranlagen, aber auch durch die Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik gelangen solche Hormone in die Gewässer. Bereits im Jahr 2004 untersuchte ein Forscherteam um Jon Nash von der Katholischen Universität Leuven in Belgien in einem Experiment die Wirkung von Östrogenen auf Fische. Die Forscher setzten Zebrafische über mehrere Generationen niedrigen Dosen des künstlichen Östrogens Ethynylestradiol aus und untersuchten die körperlichen Veränderungen und die Fortpflanzungsrate der Fische. Die Hormonmengen, mit denen die Fische belastet wurden, waren niedriger als die Konzentrationen in der freien Natur.
Fische der Elterngeneration wiesen noch keine Veränderungen auf, doch die Fruchtbarkeit reduzierte sich bereits beim Nachwuchs um 56 Prozent.
Keines der geschätzten 12.000 abgelegten Eier war entwicklungsfähig. Die Geschlechtsdifferenzierung der Fische war gestört. Die Männchen besaßen keine funktionsfähigen Hoden und konnten keine Spermien produzieren.
Die Verhaltensmuster der missgebildeten Männchen waren normal. Das verschlechterte die Reproduktionsaussichten der Zebrafische noch weiter. Die Männchen konkurrierten in Becken mit gesunden Fischen um die Weibchen und animierten sie zum Laichen. Da sie die Befruchtung durch gesunde Männchen zu verhindern versuchten, gingen die Forscher davon aus, dass die Vermehrung der Schwarmfische durch den Einfluss künstlicher Hormone und diese Konkurrenzsituation doppelt eingeschränkt wird.

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Belastung der Gewässer durch hormonelle Schadstoffe
Hormonelle Schadstoffe bedrohen die Fortpflanzungsfähigkeit von Fischen, aber auch von anderen Tieren wie Reptilien und Amphibien. Diese Altlasten haben eine verweiblichende Wirkung. Solche Schadstoffe sind im mittlerweile verbotenen Insektizid DDT, in Phthalat-Weichmachern und anderen Chemikalien enthalten. Solche synthetischen Chemikalien mit hormoneller Wirkung wurden inzwischen in Flüssen, Seen und Meeren nachgewiesen. Sie gelangen über die Nutzung von Alltagsprodukten, die Landwirtschaft, aber auch durch Müllverbrennung und Abwässer aus Kläranlagen in die Umwelt.
Die Hormone der Antibabypille werden in Kläranlagen nicht vollständig abgebaut. Phthalate als Weichmacher für Kunststoffe wirken ähnlich wie weibliche Geschlechtshormone. Eine hohe Konzentration solcher Schadstoffe mit hormoneller Wirkung wurde in Oberflächengewässern nachgewiesen. Fische können durch solche Hormone mehrheitlich verweiblichen. Es kann auch zur Zwitterbildung kommen.

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Männliche Fische mit weiblichen Geschlechtsorganen vor der Küste Kaliforniens
Im Jahr 2005 machten Wissenschaftler vor der Küste Kaliforniens eine beunruhigende Entdeckung, als sie feststellten, dass männlichen Fischen weibliche Geschlechtsorgane gewachsen waren. Die Forscher vermuteten die Umweltverschmutzung als Grund für diese Entwicklung.
Die Wissenschaftler vom Southern California Coastal Water Research Project fanden bei zwei der von ihnen untersuchten Flachfischarten in den Hoden der männlichen Tiere Eierstockgewebe. Eine solche Veränderung wurde bei 11 von 82 untersuchten Seezungen und Hornyhead Turbots festgestellt. Die nah am Meeresgrund lebenden Fische wurden in Gebieten gefangen, in denen Abwasser ins Meer gelangt.
Dan Schlenk von der University of California in Riverside nahm an, dass neben dem Östrogen aus der Antibabypille auch noch andere Stoffe zur Geschlechtsveränderung der männlichen Fische führten. Die Östrogen-Auswirkungen waren in den Gebieten, in denen die Fische mit weiblichem Gewebe gefangen wurden, vergleichsweise gering. Das Insektizid DDT ist in den USA seit 1972 verboten, doch ist es noch in Sedimenten anzutreffen, die sich im Meer vor der kalifornischen Küste ablagern. Schlenk vermutet, dass es an den Veränderungen bei den männlichen Fischen beteiligt war.
In zwei weiteren Studien im Orange County in Südkalifornien wurde festgestellt, dass männliche Fische zur Produktion von Eiern fähig waren.
Von den Veränderungen waren zwei Drittel der Tiere in der Nähe eines großen Abwasserkanals betroffen. Die Wirkung der Sedimente wurde auch in einem Laborexperiment nachgewiesen. Die Geschlechtsmerkmale änderten sich auch bei Fischen, die solchen Sedimenten unter kontrollierten Bedingungen ausgesetzt waren.
Zwitterbildung bei Fischen in der Nähe von Kläranlagen
Bereits Mitte der 1990er Jahre forschte der britische Endokrinologe John Sumpter an Forellen. Er platzierte Käfige mit den Fischen in der Nähe der Einleitungen von Kläranlagen in britischen Gewässern. Zuvor berichteten Hobbyfischer, dass sie ungewöhnlich viele Zwitter gefangen hatten. Die männlichen Fische wiesen viele äußere Merkmale von Weibchen auf.
Der Endokrinologe stellte fest, dass bei den männlichen Fischen im Klärwerk-Wasser die Konzentration des Proteins Vitellogenin im Blut um den Faktor 10.000 anstieg. Vitellogenin wird unter dem Einfluss von Östrogenen gebildet. Sumpter folgerte aus seinen Untersuchungen, dass östrogenähnlich wirkende Substanzen im Abwasser zur Verweiblichung der männlichen Tiere geführt haben.

Zwitterbildung bei Fischen in der Nähe von Kläranlagen | Foto: ©Thomas Leiss #23023056 – stock.adobe.com
Verweiblichung männlicher Fische in Hochgebirgsseen
Im Jahr 2015 berichteten der österreichische Wissenschaftler Reinhard Lackner und spanische Kollegen in der Fachzeitschrift Nature Scientific Reports über die Verweiblichung von männlichen Fischen in Hochgebirgsseen durch den Einfluss hormonell aktiver Umweltgifte. Diese Umweltgifte gelangen aus der untersten Schicht der Erdatmosphäre in die Hochgebirgsseen und machen die männlichen Fische zu Weibchen. Junge männliche Forellen reagierten schnell mit einer Feminisierung auf das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB).
Aus der Luft gelangen HCB und andere schwer abbaubare Chemikalien als schwerflüchtige Substanzen in die Seen. Nehmen die männlichen Fische mit ihrer Nahrung solche hormonaktiven Stoffe auf, wirken diese Chemikalien als endokrine Disruptoren und stören die normalen hormongesteuerten Abläufe im Körper. Auf weibliche Fische wirken sich diese Chemikalien nicht aus, da sie von Natur aus höhere Östrogenkonzentrationen vertragen. In den untersuchten Seen in Spanien, der Slowakei und Polen waren die Populationen aufgrund des damals festgestellten Grades der Verweiblichung noch nicht in ihrem Fortbestand gefährdet.
Das Hormonsystem von Wirbeltieren, zu denen Fische gehören, ähnelt dem menschlichen Hormonsystem.
Reinhard Lackner wies nicht nur auf die Verweiblichung der männlichen Fische durch die Wirkung der Hormone hin. Er hegte auch Bedenken, da organische Chlorverbindungen als neurotoxisch, krebserregend und fruchtschädigend wirken und noch viele Wirkungen auf Mensch und Tier unerforscht sind.
So wie der britische Endokrinologe John Sumpter wies auch das Team um Reinhard Lackner eine erhöhte Konzentration von Vitellogenin in den männlichen Fischen nach, die mit HCB belastet waren. Äußerliche Veränderungen stellten die Forscher bei den männlichen Tieren nicht fest. Aufgrund ihrer Ergebnisse gingen die Forscher von einem eindeutigen Zusammenhang zwischen den hormonwirksamen Umweltchemikalien und der Verweiblichung männlicher Fische aus.
Hormonelle Wirkung von Mikroplastik auf Fische
Progesteron wird häufig als hormonaktive Substanz bezeichnet. Fische nehmen oft Progesteron auf, wenn sie Mikroplastik verschlucken. Die Freisetzung wird durch die chemische Zusammensetzung der Verdauungsflüssigkeit gefördert. Forscher der weltweit führenden technischen Hochschule EPFL im schweizerischen Lausanne und vom Wasserforschungsinstitut Eawag in Dübendorf in der Schweiz untersuchten in einer Studie die Wirkung von Progesteron aus Mikroplastik auf Fische. Sie stellten fest, dass Mikroplastik eine zusätzliche Quelle von Mikroverunreinigungen wie Progesteron ist. Im Wasser wirkt Mikroplastik als Transportmittel solcher Verunreinigungen. Mit der Nahrung aufgenommen, werden diese Schadstoffe in den Verdauungstrakt der Fische abgegeben. Sie breiten sich im Körper der Fische aus, wenn sie die Darmwand durchdringen.

Hormonelle Wirkung von Mikroplastik auf Fische | Foto: ©Richard Carey #210495885 – stock.adobe.com
Störung des Hormonsystems durch Fischbandwürmer
Forscher des Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) im Forschungsverbund Berlin e.V. untersuchten die Wirkung von Hormonen auf Fischen und beschränkten sich nicht nur auf Verunreinigungen der Gewässer durch chemische Stoffe. In einer Pressemitteilung von 2024 berichteten die Forscher auch darüber, dass Pflanzenstoffe aus Soja für Fische in Aquakultur als endokrine Disruptoren wirken könnten. Bei diesen Pflanzenstoffen handelt es sich um Phytoöstrogene, die wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen wirken könnten.
Die Forscher wiesen auch darauf hin, dass Parasiten wie der Fischbandwurm den Stoffwechsel ihrer Wirte zu ihrem Vorteil verändern könnten.
Der Fischbandwurm steht im Verdacht, das endokrine System der Wirtsfische zu beeinflussen. Er kann bei Döbeln und Plötzen als Wirtsfische die Entwicklung der Geschlechtsorgane vollständig blockieren und die Sexualhormone in männlichen und weiblichen Tieren reduzieren.
Weitere Forschungen über die Wirkung von Hormonen erforderlich
Die Forscher des IGB untersuchten auch die Einflüsse der Lichtverschmutzung auf die Hormone von Fischen. Sie stellten fest, dass die Produktion des Schlafhormons Melatonin bereits durch eine geringe Lichtverschmutzung stark beeinflusst wird. Um die Wirkung weiterer endokriner Disruptoren bei Fischen zu beurteilen, sind noch weitere Forschungen notwendig.