
Wie nachhaltig ist Second-Hand-Kleidung tatsächlich? | Foto: ©svittlana #582821946 – stock.adobe.com
Viele Menschen kaufen Second-Hand-Kleidung, um gegenüber dem Neukauf zu sparen, aber auch, um nachhaltig zu handeln, die Ressourcen zu schonen und Textilien vor dem Müll zu bewahren. Allerdings ist das gute Image von Second-Hand-Kleidung umstritten. Oft hat diese Kleidung lange Wege hinter sich. Menschen trennen sich von ihrer Kleidung und bieten sie beim Second-Hand-Handel an, um sich schnell wieder neue Kleidungsstücke zu kaufen.
Second-Hand-Kleidung hat oft lange Transportwege hinter sich
Second-Hand-Kleidung kann online, in Second-Hand-Laden, aber auch auf Flohmärkten gekauft werden. Große Online-Anbieter von Second-Hand-Kleidung haben häufig Kunden in vielen Ländern. Momox Fashion liefert ab einem bestimmten Bestellwert versandkostenfrei nach Deutschland und beliefert auch andere europäische Länder. Bei Retouren legt die Kleidung erneut weite Wege zurück.
In stationären Second-Hand-Läden kommt die Warte nicht immer aus der Region.
Sie wird einerseits von Privatkunden aus der Nähe abgegeben, aber mitunter auch über Zwischenhändler bezogen, die diese Kleidung wiederum von Altkleider-Sortierbetrieben kaufen. Teilweise befinden sich diese Sortierbetriebe im Ausland.
Häufig werden Alttextilien aus Deutschland ins Ausland transportiert, wo sie von Hand für geringe Löhne sortiert werden. Beim Transport der Altkleidung ins Ausland und zurück nach Deutschland entstehen Schadstoffemissionen.
Allerdings legt auch Neuware mitunter lange Transportwege zurück, vor allem, wenn sie im Ausland gefertigt wird. Die Produktion neuer Textilien ist energieintensiv. Zusätzlich werden für jedes neue Kleidungsstück Ressourcen wie Wasser, aber mitunter auch Pestizide verwendet. Nicht zu vergessen sind die Missstände, die häufig in den Produktionsstätten im Ausland herrschen.

Second-Hand-Kleidung kann online, in Second-Hand-Laden, aber auch auf Flohmärkten gekauft werden | Foto: ©Gabriel Cassan #196758802 – stock.adobe.com
Ist der Kauf von Second-Hand-Kleidung nur online nachhaltig?
Stationäre Second-Hand-Läden benötigen Strom und müssen beheizt werden. Emissionen entstehen auch, wenn die Kunden mit dem Auto dorthin zum Einkauf fahren. Viele nehmen daher an, dass der Kauf im Onlineshop nachhaltiger als im stationären Ladengeschäft ist.
Verlässliche Zahlen, die diese Überlegung bestätigen, gibt es nicht. Auch Online-Shopping ist nicht immer nachhaltig. Einerseits werden Klimagase beim Transport freigesetzt, andererseits ist Verpackungsmaterial erforderlich, für das Ressourcen benötigt werden. Im stationären Ladengeschäft kann die Kleidung anprobiert werden. Im Onlineshop ist das nicht möglich, was zu häufigeren Retouren führt, die schädlich für die Umwelt sind.
Verpackungen fallen auch an, wenn die Kleidung in den Onlineshop geschickt wird. Die Kleidung wird dort ausgepackt, geprüft und für den Versand an die Kunden wieder neu verpackt. Onlineshopping ist also nicht nachhaltiger als der Kauf im Ladengeschäft.

Ist der Kauf von Second-Hand-Kleidung nur online nachhaltig? | Foto: ©AntonioDiaz #468475761 – stock.adobe.com
Diejenigen, die ihre Kleidung verkaufen, wollen Platz für neue Kleidungsstücke schaffen
Verschiedene Modelabels wie H&M nehmen inzwischen auch gebrauchte Kleidung entgegen und versprechen, sie weiterzuverkaufen oder zu recyceln. Der Gedanke dahinter ist nicht immer das Engagement für die Umwelt, sondern die Möglichkeit für die Kunden, Platz im Schrank zu schaffen und neue Kleidung zu kaufen. Oft argumentieren die Modelabel damit, dass sie mit Second-Hand-Kleidung kein Geld verdienen können.
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa ergab jedoch, dass 86 Prozent der Menschen ihre Altkleider in die Kleidersammlung geben. Von ihnen gaben 88 Prozent an, dass sie damit karitative Organisationen oder hilfsbedürftige Menschen unterstützen möchten. Lediglich 13 Prozent möchten die Altkleider nur loswerden, während 54 Prozent einen Beitrag zum Umweltschutz leisten möchten.
Die Möglichkeit, sich von Altkleidung zu entledigen, führt nach Meinung verschiedener Experten jedoch dazu, dass viele Menschen damit ein gutes Gefühl haben und sogar noch mehr Kleidung konsumieren. Das wirkt dem positiven Effekt von Second-Hand-Kauf und Spenden entgegen.
Günstiger Preis von Second-Hand-Kleidung verleitet dazu, mehr zu kaufen
Second-Hand-Kleidung ist zu außerordentlich günstigen Preisen erhältlich. Mitunter werden die Kleidungsstücke sogar nach Kilopreis verkauft. Das verleitet oft dazu, mehr zu kaufen, als tatsächlich benötigt wird. Das führt nicht unbedingt dazu, dass der Umsatz bei Neuware sinkt.
Insgesamt wird mehr Mode konsumiert, sodass die Umsätze sowohl bei Second-Hand-Ware als auch bei Neuware steigen.
Das gute Gewissen beim Kauf von Second-Hand-Kleidung kann die Hemmschwelle zum Überkonsum senken.
Was ist besser – nur wenig Neuware oder Second-Hand-Ware?
Ist der Kauf von weniger Kleidungsstücken als qualitativ hochwertige Neuware besser als der Kauf von Second-Hand-Ware? Das kann auch davon abhängen, welche Zwecke der Käufer verfolgt.
Ein Kleidungsstück, das nur einmal bei einem bestimmten Ereignis getragen werden soll, kann als Second-Hand-Ware erworben und dann wieder weitergegeben werden. Soll die Kleidung jedoch über einen langen Zeitraum getragen werden, liegt der Fokus auf Langlebigkeit. In diesem Fall ist es sinnvoll, hochwertige Neuware zu kaufen. Ein Blick auf die Verarbeitung und das Material kann sich lohnen.



