
Klimaschutz und Versorgungssicherheit | Foto: ©Mike Mareen #260782601 – stock.adobe.com
Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesteckt und will bis 2045 klimaneutral werden. Gemäß dem Klimaschutzprogramm 2023 rückt das Klimaziel für 2030 in Reichweite. Bis 2030 sollen die Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent reduziert werden. Das bedeutet, dass für die Energieerzeugung immer weniger fossile Brennstoffe verwendet werden. Die Frage drängt sich auf, ob die Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme gewährleistet ist. Eine wichtige Rolle spielen die Erneuerbaren Energien, um eine nachhaltige Stromversorgung zu erreichen. Das Umweltbundesamt brachte bereits im September 2009 eine Studie zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit heraus. Inzwischen liegen neuere Analysen und Studien von weiteren Verfassern vor.
Was bedeutet Versorgungssicherheit?
Versorgungssicherheit bedeutet im Strom- und Wärmesektor, dass jeder Verbraucher jederzeit ausreichend mit Strom und Wärme versorgt ist und sie beziehen kann. In der Regel definiert Versorgungssicherheit eine Dimension, mit der die marktliche Bereitstellung von ausreichenden Strommengen gewährleistet ist. Dabei kommt es auch auf die netzseitige Dimension an. Die Versorgungssicherheit umfasst oftmals auch eine Sicherheits- und Stabilitätsdimension, bei der es um die Widerstandsfähigkeit gegen kurzfristige Unwägbarkeiten geht.
Die Elemente der Versorgungssicherheit mit Strom sind ausreichend Strom, ein funktionierendes Stromnetz und die Absicherung gegen Ausfälle.
Für die Versorgungssicherheit gibt es unterschiedliche Definitionen. Das Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Klimaschutz (BMWK) definiert Versorgungssicherheit als angemessene Deckung des Strombedarfs, die von der vorhandenen Stromerzeugung, dem Stromtransport und der Verfügbarkeit von Energieträgern beeinflusst wird. Die Bundesnetzagentur definiert Versorgungssicherheit als Deckung der Nachfrage nach Strom heute und in Zukunft. Um die Versorgung in einem volkswirtschaftlich effizienten Maß zu gewährleisten, muss eine ausreichende Dimensionierung der Netzinfrastruktur gegeben sein.
Versorgungssicherheit betrifft nicht nur die Versorgung mit Strom, sondern auch die Wärmeversorgung.

Versorgungssicherheit bedeutet im Strom- und Wärmesektor, dass jeder Verbraucher jederzeit ausreichend mit Strom und Wärme versorgt ist und sie beziehen kann | Foto: ©andrew_shots #523500574 – stock.adobe.com
Klimaziele in Deutschland
Kern der deutschen Klimapolitik ist das Klimaschutzgesetz. Es enthält gesetzlich verbindliche nationale Klimaziele. Deutschland hat international Standards gesetzt und soll bis 2045 treibhausgasneutral sein. Zusätzlich sieht das Klimaschutzgesetz ein Klimaschutzprogramm mit wirksamen Maßnahmen vor. Der Gesamtausstoß an Klimagasen soll noch in diesem Jahrzehnt stark reduziert werden. Die Klimaschutz-Novelle ist am 17. Juli 2024 in Kraft getreten. Die Novelle wurde vom Bundestag und Bundesrat im Frühjahr 2024 verabschiedet.
Das Klimaschutzprogramm sieht vor, dass Deutschland bis 2030 gegenüber 1990 die Treibhausgase um 65 Prozent reduziert.
Dabei spielt die Dekarbonisierung eine wichtige Rolle, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren.
In der Studie des Umweltbundesamtes von 2009 wird darauf hingewiesen, dass energiebedingte CO2-Emissionen in Deutschland zu mehr als 95 Prozent zu den gesamten CO2-Emissionen und zu ungefähr 80 Prozent aller Treibhausgasemissionen beitragen. Im Jahr 2009 basierte die Stromerzeugung in Deutschland noch vorwiegend auf fossilen Brennstoffen. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt einen Anteil von etwa 40 Prozent an den gesamten deutschen Kohlendioxid-Emissionen. Bei der Reduzierung klimaschädlicher Emissionen hat die Stromerzeugung eine Schlüsselrolle. Um dennoch die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, kommt es auf eine nachhaltige Stromerzeugung an.
Aktuelle Analyse zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit von 2022
In der Studie des Umweltbundesamtes von 2009 ging es darum, die Versorgungssicherheit bei Strom bis 2020 zu gewährleisten. Zum Zeitpunkt der Studie kam das Umweltbundesamt zu dem Schluss, dass die Versorgung mit Strom bis 2020 gesichert ist. Die Studie beschäftigte sich jedoch auch mit der Versorgungssicherheit nach 2020, die durch eine Steigerung der Energieeffizienz und einen Ausbau der Erneuerbaren Energien gewährleistet sein sollte.
Eine Wechselwirkungsanalyse zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit wurde 2022 von Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut vorgenommen. Die Analyse beschäftigte sich mit den drastisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen in Deutschland und der drohenden Gefahr einer physischen Verknappung, auch im Hinblick auf den Ukraine-Krieg. Es ging darum, ob der Klimaschutz zugunsten der Versorgungssicherheit zurückgestellt werden sollte oder ob die Durchführung von Klimaschutzmaßnahmen helfen kann, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Die Umsetzung der Klimaschutzziele ist mit vielen Konflikten verbunden, auch im Hinblick auf den Ausbau Erneuerbarer Energien. Beispiele dafür sind der Ausbau der Windenergie und der Konflikt zu Natur- und Vogelschutz, die überproportionale Kostenbelastung von einkommensschwachen Haushalten oder der Wegfall von Arbeitsplätzen aufgrund des klimawandelinduzierten Strukturwandels. Ein weiteres Problem bei der Umsetzung der Klimaschutzziele sind hohe Zeitkonstanten wie Planungs- und Genehmigungszeiten, aber auch fehlende Handwerkskapazitäten. Die Analyse ergab, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann, wenn die Klimaschutzmaßnahmen konsequent umgesetzt werden.

Die Umsetzung der Klimaschutzziele ist mit vielen Konflikten verbunden, auch im Hinblick auf den Ausbau Erneuerbarer Energien | Foto: ©puhimec #1526351681 – stock.adobe.com
Handlungsempfehlungen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in der Studie des Umweltbundesamtes
Die Studie des Umweltbundesamtes von 2009 ergab, dass zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Einklang mit dem Klimaschutz ein optimal funktionierender Markt erforderlich ist. Weiterhin kommt es auf den Ausbau des Stromnetzes zugunsten der Erneuerbaren Energien an.
Die Studie des Umweltbundesamtes von 2009 enthielt die folgenden Handlungsempfehlungen für die Gewährleistung von Klimaschutz und Versorgungssicherheit:
- Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung
- Senkung der Stromnachfrage durch Effizienzsteigerungen
- Kontrolle des Erfolgs der Instrumente für Effizienz, Erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung
- Fortsetzung des Atomausstiegs
- langfristige Senkung des Emissionshandels-Caps
- keine Beschränkung der Laufzeit fossiler Bestandskraftwerke
- keine Förderung des Neubaus von Kraftwerken ohne Kraft-Wärme-Kopplung
- Fortsetzung der Liberalisierung des Erdgasmarktes
- Diversifizierung der Transportwege und Bezugsquellen für Erdgas
- Einsparung von Erdgas durch Effizienzmaßnahmen, insbesondere im Wärmesektor
- Ausbau des Stromnetzes
Um die Kriterien der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes einzuhalten, ist ein grundlegender Umbau der Stromversorgung notwendig.
Anforderungen an ein nachhaltiges Energieversorgungssystem
Im Hinblick auf Klimaschutz und Versorgungssicherheit definierte das Umweltbundesamt in der Studie von 2009 die Anforderungen an ein nachhaltiges Energieversorgungssystem:
- soziale Verträglichkeit
- Umwelt-, Klima- und Gesundheitsverträglichkeit
- Konsequente Ressourcenschonung
- Risikoarmut und Fehlertoleranz
- Zugangs- und Verteilungsgerechtigkeit
- umfassende Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung von externen Kosten
- bedarfsgerechte Nutzungsmöglichkeit und dauerhafte Versorgungssicherheit
- internationale Kooperation
Klimaschutz, dauerhafte Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit sind laut Studie des Umweltbundesamtes wichtige Schwerpunkte, doch für eine nachhaltige Energieversorgung müssen auch alle weiteren Kriterien erfüllt werden.

Anforderungen an ein nachhaltiges Energieversorgungssystem | Foto: ©Gina Sanders #19010690 – stock.adobe.com
Maßnahmen zur Überwindung von Zielkonflikten und zur Gewährleistung von Klimaschutz und Versorgungssicherheit
Die Analyse des Wuppertal Instituts sieht verschiedene Maßnahmen zur Überwindung des Zielkonflikts und zur Gewährleistung von Klimaschutz und Versorgungssicherheit vor:
- konsequente Umsetzung der Klimaschutzziele und der damit verbundenen Maßnahmen
- beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren Energien
- Umsetzung der Elektrifizierungs-, Energieeffizienz- und Energiesparoffensive
- Fortsetzung der Industriesystemtransformation
- ernsthaftes Voranbringen einer Mobilitätswende
- konsequente Prüfung aller Maßnahmen, um die Erdgaslücke abzudecken und unerwünschte Fehlsteuerungen zu vermeiden
- Beschleunigung und Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren
- sozialpolitische Flankierung aller Maßnahmen und Berücksichtigung der realen Bedürftigkeit sowie Vermeidung von Fehlanreizen
- Schaffung einer Ermöglichungsstruktur zur Motivation der zentralen Umsetzungsakteure
- Maßnahmen zur Ansiedlung von zentralen Produktionsstätten für kritische Schlüsseltechnologien, darunter Klimaschutztechnologien, in Deutschland
- Sukzessiver Ausbau fairer Energie- und Wasserstoffpartnerschaften mit Exportländern, Abstimmung des Vorgehens innerhalb der EU
Klimaschutz und Versorgungssicherheit im Hinblick auf Wärme
Um die Klimaziele in Deutschland bis 2030 zu erreichen und gleichzeitig Versorgungssicherheit zu schaffen, kommt es auch auf die Versorgung mit Wärme an. Die Versorgung mit Strom und Wärme muss auch in Krisenzeiten gewährleistet sein. Dafür ist in Deutschland eine Transformation der Wärmeversorgung erforderlich. Die Fernwärme muss einen zentralen Beitrag leisten. Sie ist in Städten häufig die einzige Lösung für eine perspektivisch resiliente und klimaneutrale Wärmeversorgung. Bis 2030 kann die klimaneutrale Wärmeerzeugung in den Wärmenetzen auf ungefähr 66 Terawattstunden verdreifacht werden. Der Anteil von Fernwärme am Bedarf an Raumwärme und Warmwasser in den Gebäuden kann mehr als vervierfacht werden.
Bis 2030 kann die Fernwärme ungefähr 39 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Sie leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Verringerung des Erdgasimportbedarfs.