Das Umweltbundesamt hat bereits 1998 eine Studie zur Erarbeitung von Bewertungskriterien zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel beauftragt. Diese Studie wurde von einem Team von Wissenschaftlern unterschiedlicher Institutionen von September 1998 bis Dezember 2000 erarbeitet.
Die Forscher untersuchten den zur damaligen Zeit aktuellen Stand sowie Trends und Alternativen zum Einsatz von Flammschutzmitteln in verschiedenen Produkten und Bereichen. Sie legten Bewertungsgrundlagen für die Substitution von umweltrelevanten Flammschutzmitteln fest.
Flammschutzmittel und deren Anwendung
Flammschutzmittel (FSM) setzen die Entzündbarkeit brennbarer Stoffe herab, verhindern die Flammbildung oder verzögern einen Brand. Zur Vorsorge werden sie in großen Mengen verwendet. Sie belasten die Umwelt und können zu gesundheitlichen Schäden bei Menschen und Tieren führen.
Die Schwerpunkte beim Einsatz von Flammschutzmitteln sind Holz, Holzwerkstoffe, Textilien und Kunststoffe.
Die Forscher untersuchten in ihrer Studie Flammschutzmittel in verschiedenen Bereichen:
- Baubereich
- Elektrotechnik und Elektronik
- Schienenfahrzeugbau
- Textilindustrie
Flammschutzmitteln werden auch in Montageschäumen und Dämmstoffen, Konstruktionswerkstoffen für den Schienenfahrzeugbau, Leiterplatten, Werkstoffen für Elektronikgehäuse, Möbelbezugsstoffen und Matratzen verwendet.
Bedenken beim Einsatz von Flammschutzmitteln mit Blick auf die Umwelt
Flammschutzmittel sind organische und anorganische Verbindungen, mit denen Werkstoffe flammfest gemacht werden. Die Erarbeitung von Bewertungskriterien für die Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel war wichtig, da die Eigenschaften von vielen Flammschutzmitteln toxikologisch und ökotoxikologisch bedenklich sind.
Flammschutzmittel verfügen teilweise über eine hohe Persistenz, sodass sie lange in der Umwelt verbleiben. Toxikologische Bedenken bestehen zum Beispiel bei organisch bromierten Verbindungen. Viele dieser Flammschutzmittel wurden bereits verboten oder unterliegen freiwilligen Beschränkungen.
Grundlage der Erarbeitung von Bewertungskriterien zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel
Die Publikation der Forscher zur Erarbeitung von Bewertungskriterien zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel im Auftrag des Umweltbundesamtes umfasst drei Bände und mehr als 340 Seiten. Die wichtigsten Autoren der Studie sind:
- Dr. André Leisewitz von der Öko-Recherche GmbH Frankfurt am Main
- Dr. Hermann Kruse vom Institut für Toxikologie der Christian-Albrechts-Universität Kiel
- Dr. Engelbert Schramm vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH Frankfurt am Main
Die Ausrüstung brennbarer Werk- und Kunststoffe mit Flammschutzmitteln dient dem vorbeugenden Brandschutz und soll das Risiko der Entstehung eines Brandes reduzieren. Umweltfunde toxikologisch oder ökotoxikologisch bedenklicher Flammschutzmittel und deren Abbauprodukte gaben Anlass, stoffverbrauchsmindernde Regulierungen zu erarbeiten. Rückstände solcher Flammschutzmittel wurden in der Biosphäre gefunden, zum Beispiel in Innenraumluft, Wasser oder Sedimenten.
Vorgehensweise der Forscher bei der Erarbeitung von Bewertungskriterien zu den Flammschutzmitteln
Die Forscher wählten für ihre Studie 13 Flammschutzmittel aus, zu denen auch der Synergist Antimontrioxid gehörte. Bei der Auswahl zogen sie die umweltrelevanten Eigenschaften Toxizität, Ökotoxizität und Kreislauffähigkeit heran. Sie überprüften die Stoffe und erarbeiteten Stoffprofile.
Die Forscher untersuchten den Einsatz der Flammschutzmitteln in den wichtigsten Anwendungsbereichen und die Bedingungen für den Einsatz von Flammschutzmitteln.
Auf der Grundlage der anwendungsbezogenen Betrachtung ermittelte das Forscherteam, ob eine Substitution der umweltbelastenden Produkte durch weniger problematische Flammschutzmittel möglich ist.
Die Forscher untersuchten:
- vier bromierte Flammschutzmittel, darunter ein polybromierter Diphenylether
- drei organische Flammschutzmittel auf der Basis von Phosphor, halogeniert und nichthalogeniert, darunter eine textilspezifische Substanz
- zwei anorganische Phosphorverbindungen
- ein stickstoffbasiertes Flammschutzmittel
Als wichtigstes mineralisches Flammschutzmittel zogen die Forscher Aluminiumtrihydrat heran.
Bewertungskriterien für Flammschutzmittel
Auf der Grundlage der toxikologischen und ökotoxikologischen Stoffcharakteristika der untersuchten Flammschutzmittel erarbeiteten die Forscher die entsprechenden Bewertungskriterien. Sie stuften die Flammschutzmittel angesichts der Bewertung in fünf Gruppen ein:
- Anwendungsverzicht: Auf die Anwendung der Flammschutzmittel Decabromdiphenylether und Tetrabrombisphenol A, additiv sollte aufgrund der hohen Bedenklichkeit verzichtet werden.
- Minderung sinnvoll, Substitution anzustreben: Der Einsatz von Tetrabrombisphenol A, reaktiv und Tris(chlorpropyl)phosphat sollte vermindert werden. Aufgrund der toxikologischen und ökotoxikologischen Bedenken ist eine Substitution sinnvoll.
- Problematische Eigenschaften, Minderung sinnvoll: Die Eigenschaften von Hexabromcyclododecan, Natriumborat-decahydrat (Borax) und Antimontrioxid sind aufgrund der hohen Belastung für die Umwelt problematisch. Eine Substitution ist nicht notwendig, doch sollte der Einsatz reduziert werden.
- Wegen Kenntnisdefiziten keine Empfehlung möglich: Da keine oder nur geringe Kenntnisse über diese Flammschutzmittel vorliegen, kann für Bis(pentabromphenyl)ethan, Resorcinolbisdiphenylphosphat, Pyrovatex CP neu und Melamincyanurat keine Empfehlung ausgesprochen werden.
- Anwendung unproblematisch: Die Anwendung von Rotem Phosphor (mikroverkapselt), Ammoniumpolyphosphat und Aluminiumtrihydroxid ist unproblematisch, da diese Flammschutzmittel keine hohe Belastung für die Umwelt darstellen. Sie können auch zur Substitution von umweltbedenklichen Flammschutzmitteln verwendet werden.
Trend zur Substitution halogenierter Flammschutzmittel
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass bereits ein Trend zur Substitution halogenierter Flammschutzmittel erkennbar ist. Neuformulierungen von Flammschutzmittelsystemen wurden zur Zeit der Studie schon erarbeitet. Sie dienen dazu, halogenierte Flammschutzmittel zu ersetzen und künftig darauf zu verzichten.
Phosphororganische Flammschutzmittel gewinnen an Bedeutung.
Eine Alternative zu Flammschutzmitteln ist die Erarbeitung von konstruktiven und werkstofflichen Lösungen im Brandschutz, sodass auf Flammschutzmittel verzichtet werden kann. Die Forschungsgruppe erachtet diesen Trend für sinnvoll. Größere Aufmerksamkeit verlangt jedoch die Umweltrelevanz und das Emissionsverhalten von phosphororganischen Additiven. Die verschiedenen Anwendungsfelder zeigen beachtliche Substitutions- und Minderungspotenziale.
Kriterien zur Entwicklung moderner Flammschutzmittel
Adrian Beard von der Clariant GmbH in Hürth-Knapsack und Elmar Schmitt von der Clariant GmbH in Sulzbach erarbeiteten Rahmenbedingungen für die Entwicklung moderner Flammschutzmittel. Diese Flammschutzmittel können als Substitute für die umweltbedenklichen Flammschutzmittel genutzt werden. Bei der Erarbeitung ihrer Richtlinien ging es ihnen nicht nur darum, unbedenkliche Flammschutzmittel zu entwickeln, sondern auch die Folgen von Bränden auf die Umwelt aufgrund der Entwicklung von Schadstoffen zu reduzieren.
Die Clariant GmbH stellt Flammschutzmittel auf Phosphorbasis her und hat auch organische Phosphinate entwickelt. Das Unternehmen weist auf den Gestaltungsrahmen bei der Entwicklung neuer Flammschutzmittel hin. Umweltfreundliche Flammschutzmittel müssen mehrere Kriterien erfüllen:
- dürfen nicht migrieren, also bei fertigen Produkten nicht durch Ausgasung freigesetzt werden
- dürfen nicht toxisch für Menschen, Tiere und Pflanzen sein
- bei Bränden dürfen keine zusätzlichen korrosiven und toxischen Rauchgase freigesetzt werden
- Recyclingeigenschaften der fertigen Produkte dürfen durch die Flammschutzmittel nicht negativ beeinflusst werden
- müssen umweltverträglich sein, was bedeutet, dass sie in der Natur abbaubar oder neutral sind
Die Flammschutzmittel müssen nach einem bestandenen Brandtest einige Nebenbedingungen erfüllen. Sie müssen mit dem Polymer verträglich und mit dem Verarbeitungsprozess des Polymers kompatibel sein. Weiterhin müssen die veränderten mechanischen und elektrischen Eigenschaften des Polymers tolerierbar sein. Die Farbe oder Färbbarkeit sowie die Lichtechtheit spielen ebenfalls eine Rolle.
Zentrale Bewertungskriterien für die Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel sind der Preis und die Wirtschaftlichkeit. Der Preis ist entscheidend dafür, ob ein umweltverträgliches Flammschutzmittel am Markt eine Chance hat.
Die umweltverträglichen Flammschutzmittel sollten eine effektive Flammschutzwirkung zeigen. Gute elektrische und mechanische Eigenschaften sind ebenso wichtig wie die Möglichkeit einer geringen Dosierbarkeit, eine geringe Dichte und eine einfache Handhabung.