Aufgrund der steigenden Belastung der Umwelt und der damit verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit kommt es bei technischen Spezifikationen für Bauprodukte künftig nicht mehr nur auf wichtige technische Eigenschaften an. Die Implementierung von Gesundheits- und Umweltkriterien in die technischen Spezifikationen für Bauprodukte gewinnt immer mehr an Bedeutung. Es geht darum, dass die Bauprodukte auch umweltfreundlich sein müssen.
Rückstände oder Emissionen dürfen nicht in den Boden, die Luft und die Gewässer gelangen, um keine Schäden für Umwelt und Gesundheit zu verursachen. Nicht immer lassen sich Emissionen vermeiden. Es kommt daher auf Richtwerte an, die nicht überschritten werden dürfen. In den technischen Spezifikationen müssen diese Richtwerte berücksichtigt werden.
Bedeutung von Gesundheits- und Umweltkriterien in technischen Spezifikationen für Bauprodukte
Bislang wurden bei den technischen Spezifikationen für Bauprodukte und bei der Anwendung von Bauprodukten keine gesundheits- und umweltrelevanten Kriterien berücksichtigt. Ein Mangel an Kenntnissen zu Umwelt und Gesundheit, aber auch unterschiedliche Traditionen des Bauwesens in den einzelnen Mitgliedsländern der Europäischen Union waren die Gründe dafür. Es fehlte bislang an Prüfmethoden zur Einhaltung der Gesundheits- und Umweltkriterien.
Zahlreiche Bauprodukte, darunter Beton, Bodenbeläge oder Farben, können gefährliche Stoffe in Boden und Grundwasser freisetzen.
Das kann zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Pflanzen, Tieren und Menschen führen. Menschen können die Schadstoffe durch das Trinkwasser oder die Nahrungskette aufnehmen. Es ist daher umso wichtiger, nicht nur technische Eigenschaften in die Spezifikationen für Bauprodukte aufzunehmen. Die Bauprodukte müssen auch wichtige Umweltkriterien erfüllen, die in den Spezifikationen zu berücksichtigen sind.
Um die Ziele des Gesundheits- und Umweltschutzes einzuhalten, müssen für die einzelnen Bauprodukte stoffbezogene Anforderungen erarbeitet und begründet werden. Die stoffbezogenen Anforderungen an die Bauprodukte müssen auch den Anforderungen an Gesundheit und Umweltschutz entsprechen.
Gefährdung von Gebäudenutzern und unmittelbarer Umwelt vermeiden
Die Bauproduktenrichtlinie fordert, dass Bauprodukte wesentliche Anforderungen an Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz erfüllen. Die Nutzer von Gebäuden, aber auch die unmittelbare Umwelt dürfen nicht gefährdet werden. Um eine mögliche Freisetzung gefährlicher Stoffe zu beurteilen, sind Kenntnisse über die chemische Zusammensetzung und den Aufbau der Bauprodukte, aber auch über die geplante Verwendung erforderlich.
Verschiedene Bauprodukte gelten als gesundheitlich und umwelttechnisch unbedenklich. Sie erfordern keine weiteren Prüfungen, um die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit zu beurteilen. Bei anderen Produkten können die gesundheitlichen und umweltrelevanten Auswirkungen nur durch spezifische, auf den Einzelfall bezogene Prüfungen bewertet werden. Eine weitere Gruppe von Bauprodukten erfordert keine Prüfungen, doch müssen Festlegungen getroffen werden, damit die Gesundheit der Nutzer und die Umwelt nicht gefährdet werden.
Definition von Umwelt- und Gesundheitskriterien für Bauprodukte
Damit Gesundheits- und Umweltkriterien in die technischen Spezifikationen für Bauprodukte implementiert werden können, müssen diese Kriterien zunächst definiert werden. Die Kriterien sind abhängig von den jeweiligen Bauprodukten und deren Eigenschaften. Darüber hinaus sind die Gesundheits- und Umweltkriterien auf Produktebene und auf Gebäudeebene zu unterscheiden.
Hier sind nur einige Beispiele für Gesundheits- und Umweltkriterien bei Bauprodukten:
- Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung
- Freiheit von besorgniserregenden Stoffen gemäß der europäischen Chemikalienverordnung REACH
- Maximalgehalt an Formaldehyd und flüchtigen organischen Verbindungen
- Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft
- Freiheit von Fungiziden, Bioziden, Insektiziden, Weichmachern, Flammschutzmitteln und anderen schädlichen Inhaltsstoffen
- Recyclinganteil oder Einsatz recyclingfähiger Produkte
- verifizierte Ökobilanz-Daten
- Gehalt und Freisetzung von Schwermetallen
- Freisetzung organischer Stoffe in Boden und Grundwasser
- Freisetzung giftiger Gase
Das können wichtige umwelt- und gesundheitsrelevante Kriterien auf Gebäudeebene sein:
- deutliche Unterschreitung der Grenzwerte für die Innenluftqualität
- Erfüllung der Anforderungen an die Energiesparverordnung
- Konzept für die Bewirtschaftung der Bau- und Abbruchabfälle
EG-Bauproduktenrichtlinie und deren Inhalt
Die EG-Bauproduktenrichtlinie gilt bereits seit dem 21. Dezember 1988 und dient der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Bauprodukte der einzelnen Mitgliedsstaaten der EWG. Sie soll Handelshemmnisse im gemeinsamen Markt der EU beseitigen und einen freien Warenverkehr ermöglichen. Die Richtlinie sieht vor, dass eine Abwägung über Gesundheitsrisiken und Umweltschutz beim Handel mit Bauprodukten erfolgen muss.
Laut der Bauproduktenrichtlinie sind Bauprodukte frei handelbar, wenn sie die folgenden Anforderungen erfüllen:
- mechanische Festigkeit und Standsicherheit
- Brandschutz
- Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz
- Nutzungssicherheit
- Schallschutz
- Energieeinsparung und Wärmeschutz
Die Gesundheit der Bewohner und Anwohner, aber auch die unmittelbare Umgebung eines Gebäudes sollen geschützt werden, indem ein Bauprodukt die Anforderungen an Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz erfüllt. Das ist dann gewährleistet, wenn ein Produkt die Gesundheit und die Umwelt nicht durch die folgenden Einwirkungen gefährdet:
- Vorhandensein von gefährlichen Teilchen oder Gasen in der Luft
- Freisetzung giftiger Gase
- Wasser- oder Bodenverunreinigung
- Emission gefährlicher Strahlen
- Feuchtigkeitsansammlung in Bauteilen und auf Oberflächen von Bauteilen in Innenräumen
- unsachgemäße Beseitigung von festem oder flüssigem Abfall, Rauch oder Abwasser
Konkretisierung der Anforderungen an technische Spezifikationen mit dem Grundlagendokument
Im Grundlagendokument „Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz“ werden die Anforderungen der Bauproduktenrichtlinie konkretisiert. In harmonisierten technischen Spezifikationen für die jeweiligen Bauprodukte müssen für den Zeitraum der Nutzung eines Gebäudes die folgenden Eigenschaften erfasst werden:
- Freisetzung von Schadstoffen in die Innenraumluft, darunter radioaktive Stoffe, organische und anorganische Teilchen sowie flüchtige organische Verbindungen
- Freisetzung von Schadstoffen in Außenluft, Wasser und Boden in unmittelbarer Umgebung eines Gebäudes
In den technischen Spezifikationen müssen Angaben enthalten sein, mit denen Hersteller die CE-Kennzeichnung eines Produkts hinsichtlich der Emission gefährlicher Stoffe vervollständigen können. Für die Angabe der Emission als Zahlenwert sollen möglichst harmonisierte Prüf- und Rechenverfahren angegeben werden.
Die technischen Spezifikationen werden mit einem Mandatsverfahren erarbeitet. Die Europäische Kommission erteilt mit dem Mandat einen Auftrag an EOTA oder CEN, um für die technischen Zulassungen harmonisierte europäische Normen oder Leitlinien zu erarbeiten. Die Europäische Kommission legt Konformitätsbescheinigungsverfahren fest, um eine Übereinstimmung des Produkts mit den technischen Spezifikationen zu erklären. Entspricht ein Bauprodukt einer harmonisierten Norm oder technischen Zulassung, ist es anwendbar. Nachdem das Konformitätsverfahren durchgeführt wurde, kann das Produkt das CE-Kennzeichen erhalten und im EU-Binnenmarkt frei gehandelt werden.
Kriterien für ressourcenschonende Bauprodukte
In die technischen Spezifikationen für Bauprodukte sollen nicht nur Gesundheits- und Umweltkriterien aufgenommen werden. Es geht angesichts der Verknappung der natürlichen Ressourcen und des Klimawandels auch darum, Kriterien mit aufzunehmen, die auf die Schonung der Ressourcen hindeuten. Auch diese Kriterien sind für den Umweltschutz relevant.
Solche Kriterien sind:
- Recyclingfähigkeit
- Dauerhaftigkeit auf Bauproduktebene
- Umweltverträglichkeit
Darüber hinaus können noch weitere umwelt- und gesundheitsrelevante Kriterien in die technischen Spezifikationen von Bauprodukten einfließen. Der Carbon-Fußabdruck und der Wasser-Fußabdruck gehören dazu.