
Möglichkeiten der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehr | Foto: ©phaisarnwong2517 #1376547400 – stock.adobe.com
Das Wirtschaftswachstum kann durch den Ausbau der Infrastruktur gefördert werden. Das ist nicht nur in den hochentwickelten Industrieländern, zu denen Deutschland gehört, der Fall. Auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern wird die Infrastruktur ausgebaut, damit die Wirtschaft wachsen kann. Der Ausbau der Infrastruktur ist mit höheren Emissionen verbunden, die das Klima belasten. Dabei drängt sich die Frage auf, ob es möglich ist, Wirtschaftswachstum zu erreichen und es vom Verkehr zu entkoppeln. Eine Möglichkeit, die Wirtschaft vom Verkehr zu entkoppeln, besteht in der Förderung der regionalen Wirtschaft. Das Umweltbundesamt gab bereits 2006 eine Studie in Auftrag, die Möglichkeiten der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehr untersuchen sollte. Die Ergebnisse erschienen 2008.
Wechselwirkungen zwischen Wirtschaftswachstum und Verkehrsentwicklung
In der vom Umweltbundesamt beauftragten Studie, die vom Institut für ökologische Wirtschaftsförderung durchgeführt wurde, ging es darum, mehr Transparenz bei der Diskussion um die Wechselwirkungen von Wirtschaftswachstum und Verkehrsentwicklung zu schaffen. Im Mittelpunkt der Forschung standen ausgewählte Instrumente der Regional- und Wirtschaftsförderung auf nationaler und internationaler Ebene. Die Forscher untersuchten die strategischen Leitlinien der EU, Rahmenpläne und operationale Programme. Die regionale Wirtschaftsstruktur muss gefördert werden, um die Wirtschaftsentwicklung vom Verkehr zu entkoppeln. So werden lange Transportwege vermieden. Eine Förderung des ländlichen Raums führt ebenfalls zu weniger Verkehr.
Soll die Wirtschaftsförderung nicht mit verkehrsverursachenden Investitionen einhergehen, ist die regionale Wirtschaftsförderung das Mittel der Wahl.
Verkehrspolitiken können sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken, wenn die Güter schneller transportiert werden können. Das ist mit klimaschädlichen Emissionen verbunden. Daher kommt es darauf an, das Wirtschaftswachstum ohne zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur zu erreichen.

In der vom Umweltbundesamt beauftragten Studie, die vom Institut für ökologische Wirtschaftsförderung durchgeführt wurde, ging es darum, mehr Transparenz bei der Diskussion um die Wechselwirkungen von Wirtschaftswachstum und Verkehrsentwicklung zu schaffen | Foto: ©kribbox #1430081650 – stock.adobe.com
Verkehrsinfrastrukturinvestitionen führen nicht automatisch zu Wirtschaftswachstum
Eine zentrale Erkenntnis der vom Umweltbundesamt beauftragten Studie ist, dass Verkehrsinfrastrukturinvestitionen nicht zwangsläufig zu Wirtschaftswachstum führen. Häufig wird davon ausgegangen, dass Transportkosten durch Investitionen in neue Infrastrukturen gesenkt werden und eine verbesserte Erreichbarkeit der Regionen gewährleistet wird. Die Studie ergab, dass die veränderte Erreichbarkeit in der betroffenen Region differenzierte Wirkungen hat:
- In Regionen mit Unterbeschäftigung führt eine verbesserte Erreichbarkeit nicht zwangsläufig zur Ansiedlung von Unternehmen. Das Gegenteil kann eintreten, wenn sich Arbeitskräfte in weiter entfernteren Orten Arbeitsplätze suchen oder regionale Unternehmen durch die größere Konkurrenz verschwinden.
- Neuansiedlungen entstehen oft nur durch eine gezielte regionale Wirtschaftsförderung. Eine verbesserte infrastrukturelle Ausstattung unterstützt den Ansiedlungsprozess, doch löst sie ihn nicht aus. Neuansiedlungen gehen häufig mit der Schließung anderer Standorte des gleichen Unternehmens einher. Auf makroökonomischer Ebene treten keine Wachstumseffekte ein.
- Nicht immer profitiert eine Region, in der eine neue Verkehrsinfrastruktur entsteht, tatsächlich davon. In einer entfernteren Region können Unternehmen mit geringeren Lohnkosten häufig schneller erreicht werden.
Verkehrswirkungen von wachstumsorientierter Politik
Um Wachstum und Beschäftigung zu sichern, ist die Förderung von Clustern von Bedeutung. Fördermittel sollten für Projekte mit einer hohen Innovationsrelevanz bereitgestellt werden. Eine Regionalpolitik, die verstärkt auf Wachstum, Netzwerke und Innovation setzt, kann zu regionalwirtschaftlichen Effekten führen. Die Wirtschaft kann abgekoppelt vom Verkehr gestärkt werden, wenn in Wissen und dessen Vernetzung investiert wird.
Ein höherer Etat für Forschungs- und Technologiepolitik kann das Wirtschaftswachstum fördern.
Nicht nur die europäische Verkehrspolitik ist verkehrswirksam. Auf den Verkehr können sich auch die Politik zur Entwicklung ländlicher Räume, die Regional- und Strukturpolitik, die Agrarpolitik und die Forschungs- und Technologiepolitik auswirken.
Die Regionalpolitik verfolgt drei Ansätze, die sich auch auf den Verkehr auswirken können:
- Förderung von einzelbetrieblichen Investitionen
- Verbesserung der produktionsnahen Infrastruktur
- Förderung von Clustermanagement und Kooperationsnetzwerken
Die einzelnen Förderinstrumente wirken sich unterschiedlich auf den Verkehr aus. Eine Clusterförderung könnte zu einer Verkehrsreduzierung beitragen.

Die Wirtschaft kann abgekoppelt vom Verkehr gestärkt werden, wenn in Wissen und dessen Vernetzung investiert wird | Foto: ©brave rabbit #23234300 – stock.adobe.com
Cluster und Netzwerke und deren Verkehrswirksamkeit
Wie sich Cluster auf den Verkehr auswirken, hängt davon ab, in welchem Verhältnis die Unternehmen zueinanderstehen. Der Transportpreis kann eine Steuerungsfunktion einnehmen, wenn das Material dort gekauft wird, wo es am günstigsten ist. Die Zusammenarbeit wird durch Clusterförderung gefestigt. Materialflüsse lassen sich steuern und optimieren, wenn zwischen Unternehmen in räumlicher Nähe gleichberechtigte Beziehungen bestehen.
Eine vollständige Analyse der Verkehrswirkungen wirtschaftlicher Verflechtungsbeziehungen ist aufwendig. Durch Clusterbildung werden Wertschöpfungsstufen in eine Region verlagert. Der Verkehrsaufwand für die Beschaffung ist in der nachfolgenden Wertschöpfungsstufe geringer. Die Distributionsverkehre sind jedoch stark abhängig von der räumlichen Lage der Absatzmärkte.
Führt ein gefördertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt zu einer Produktion, kann sich der Verkehrsaufwand erhöhen. Das ist auch der Fall, wenn Netzwerke die Qualifizierung eines Unternehmens verbessern. So können Absatzbeziehungen mit weiter entfernten Absatzmärkten aufgebaut werden.
Sind vertikale Cluster erfolgreich, können Wertschöpfungsketten innerhalb des Clusters räumlich zusammenrücken. Die Wahrscheinlichkeit für eine regionale Wertschöpfung wird umso größer, je mehr Fertigungsstufen sich in einem Cluster befinden. Die gesamte Wertschöpfungskette geht dann mit einem geringen Verkehrsaufwand einher.
Cluster sind ein Gegenentwurf zur räumlichen Expansion und ein theoretisches Fundament zur Wirtschaftsförderung.
Das Ziel der Clusterförderung besteht in der Stärkung der regionalen Basis, damit eine überregionale Wettbewerbsförderung erreicht wird. Exporte können realisiert werden, doch sie gehen zwangsläufig mit einem höheren Verkehr aufgrund der Transportentfernung einher.
Eine Entkopplung von regionalem Wirtschaftswachstum und Verkehrswachstum ist theoretisch nur bedingt durch eine De-Materialisierung von Wertschöpfungsketten möglich. Der Verkehrsaufwand steigt regional an. Beschaffungsketten werden kürzer, doch führt das zu längeren Distributionsketten.
Neuformulierung der Entkopplungsfrage
Die Frage, wie Wirtschaftswachstum und Verkehr voneinander entkoppelt werden können, muss neu formuliert werden. Verkehrsauslösende Faktoren wirken komplex zusammen und sind vielfältig, genau wie die Auswirkungen auf den Verkehr. Die Zielebene muss konkretisiert werden. Es geht letztendlich nicht um den Verkehr per se, sondern die Verkehrsfolgen wie Immissionen, Emissionen, Unfallfolgen und Flächenverbrauch müssen betrachtet werden.
Die Transportfunktion sollte sozialverträglich optimiert werden. Angesichts des Klimawandels und der Diskussionen über Kohlendioxidemissionen muss über die Verlagerung von Transporten auf Bahn und Schiff nachgedacht werden.
Eine regionale Betrachtung der Entkopplungsfrage ist unvollständig. Die Stoffflüsse sind daher in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Für die Produkte könnten bestehende Unternehmen mit einem Transporteffizienz-Modul ergänzt werden. Damit werden verkehrserzeugende Logistikstrategien hinterfragt. Bereits zu Beginn des Produktdesigns und in der Konstruktionsphase könnten Optimierungsmaßnahmen berücksichtigt werden.