
Neozoen in Deutschland | Foto: ©Angela Rohde #431277950 – stock.adobe.com
Neozoen sind gebietsfremde Tierarten, die aus verschiedenen Regionen der Welt stammen und sich immer mehr ausbreiten. Solche Neozoen gibt es auch in Deutschland. Sie sind auf verschiedene Weise nach Deutschland gelangt und haben sich angesiedelt. Von Politikern, Landwirten und Jägern werden diese Tiere mitunter als Bedrohung angesehen, da sie den Artenschutz gefährden könnten.
Nicht alle diese Arten sind jedoch invasiv. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland ungefähr 450 Arten von Neozoen.
Was sind Neozoen?
Als Neozoen werden alle Tierarten bezeichnet, die nach 1492, seit dem Beginn des Kontinente übergreifenden Handels, nach Deutschland gelangt sind und sich angesiedelt haben.
Die Tiere können durch direkte oder indirekte menschliche Aktivitäten in ein ihnen zuvor nicht zugängliches Gebiet gelangt sein und haben sich dort angesiedelt.
Sie können beispielsweise aus der Gefangenschaft geflohen, absichtlich ausgewildert, durch den Handel eingeschleppt oder über natürliche Wege nach Deutschland gekommen sein. Einige dieser Neozoen haben sich inzwischen überall in Deutschland ausgebreitet, wie zum Beispiel der Waschbär, oder leben nur in bestimmten Regionen, wie der Nandu in Mecklenburg-Vorpommern.

Als Neozoen werden alle Tierarten bezeichnet, die nach 1492, seit dem Beginn des Kontinente übergreifenden Handels, nach Deutschland gelangt sind und sich angesiedelt haben | Foto: ©Maren Winter #237343795 – stock.adobe.com
Wann gelten Neozoen als invasiv?
Von den ungefähr 450 Neozoen in Deutschland gelten nur etwa zehn Prozent als invasiv. Eine eingewanderte Art gilt als invasiv, wenn sie Ökosysteme und einheimische Arten bedroht. Auch Arten, denen es an natürlichen Feinden fehlt, können invasiv sein, da sie sich ungehindert ausbreiten können.
Einige Arten wie die Nandus in Mecklenburg-Vorpommern gelten als potenziell invasiv.
Bei solchen Tierarten ist noch nicht erwiesen, ob sie tatsächlich das Potenzial zu einer invasiven Art haben und andere Arten bedrohen könnten.
Voraussetzungen für die Etablierung von Neozoen in Deutschland
Damit sich fremde Tierarten in Deutschland etablieren können, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen, wie der Biologe Albert Wotke vom World Wildlife Fund (WWF) erklärt:
- Die Tiere müssen das gesamte Jahr über Nahrung finden.
- Die Tiere müssen mit den klimatischen Verhältnissen in Deutschland zurechtkommen. Dazu gehört auch, dass sie strenge Winter und Fröste überstehen.
- Mehrere Tiere einer Art, darunter männliche und weibliche Tiere, müssen vorhanden sein, damit sie sich vermehren und die Population aufrechterhalten können.
- Bedingungen für die Aufzucht des Nachwuchses müssen erfüllt sein, beispielsweise die Möglichkeit, Bruthöhlen zu graben.
- Fressfeinde sind nicht grundsätzlich ein Problem, damit sich eine Art etablieren kann. Kann eine Art ihren Fressfeinden jedoch nichts entgegensetzen, besteht für die Art die Gefahr, dass sie wieder verschwindet.
Albert Wotke weist darauf hin, dass nicht immer alle diese Bedingungen erfüllt sind. Einige Arten bilden kleine, regional begrenzte Populationen und breiten sich kaum aus. Sie richten an den einheimischen Arten keinen oder nur geringfügigen Schaden an. Diese Tiere stellen keine Gefahr für das Ökosystem dar.
Während der Eiszeiten sind in Deutschland viele Arten ausgestorben. Daher sind unbesetzte ökologische Nischen vorhanden. Eine solche Nische kann von einer Art von Neozoen gefüllt werden, wenn die Bedingungen für diese Art erfüllt sind. Nur selten kann sich eine Art so einfach ansiedeln und vermehren wie der Waschbär, da alle Voraussetzungen gegeben sind.

Damit sich fremde Tierarten in Deutschland etablieren können, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen | Foto: ©Karl #628769583 – stock.adobe.com
Beispiele für Neozoen in Deutschland
Aufgrund der Vielzahl von Neozoen in Deutschland ist es nicht möglich, alle diese Arten vorzustellen. Daher werden an dieser Stelle nur die wichtigsten Arten beschrieben. Darunter sind Tiere, die inzwischen überall in Deutschland anzutreffen sind, aber auch solche, die sich nur in begrenzten Regionen angesiedelt haben.
Waschbär als einer der erfolgreichsten Neozoen
Der Waschbär hat seinen Ursprung in Nordamerika und wurde für die Pelztierzucht 1927 nach Deutschland eingeführt. Ein Forstmeister setzte kurze Zeit später in Hessen am Edersee zwei Waschbärenpaare aus, die sich zur Jagd vermehren sollten und das auch erfolgreich taten.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs entkamen zusätzlich zahlreiche Tiere aus einer Pelztierfarm bei Strausberg in der Nähe von Berlin.
Waschbären sind anpassungsfähige Allesfresser und finden auch in den Städten gute Bedingungen, um zu überleben. Es gibt mittlerweile schätzungsweise 1,3 Millionen Waschbären in Deutschland. Sie ernähren sich von Obst, Gemüse, Nüssen, Kröten, Fischen, Vögeln, Käfern, aber auch von Sumpfschildkröten und deren Eiern. Es ist umstritten, die Population an Waschbären zu dezimieren. Ob sie tatsächlich den einheimischen Arten schaden und das Ökosystem schädigen, ist bislang nicht erwiesen.

Der Waschbär hat seinen Ursprung in Nordamerika und wurde für die Pelztierzucht 1927 nach Deutschland eingeführt | Foto: ©martinettlinger #272459575 – stock.adobe.com
Mink oder Amerikanischer Nerz
Ähnlich gute Bedingungen wie der Waschbär, um sich auszubreiten und zu bleiben, findet auch der Mink oder Amerikanische Nerz, der ebenfalls in Nordamerika beheimatet ist. Er gehört zur Familie der Marder und hat ein wertvolles Fell. Er wurde in Pelztierfarmen in Nordamerika gehalten. Da mit dem Europäischen Nerz solche Pelztierzuchten nicht möglich waren, wurde der Mink in den 1950er Jahren nach Europa eingeführt und in Pelztierfarmen gehalten.
Der Mink wurde aus den Pelztierfarmen bei Tierschutzaktionen befreit oder konnte fliehen. Er vermehrt sich schnell und breitet sich ungehindert aus. Der nachtaktive Mink ist auf dem Vormarsch und hat den Europäischen Nerz teilweise schon verdrängt. Er wird daher zu den invasiven Arten gezählt.
Marderhund – ein Wildhund aus Ostasien
Der Marderhund sieht dem Waschbären ähnlich, ist aber nicht mit ihm verwandt und stammt aus Ostasien. Auch er wird als Pelztier gehalten und hat sich bereits in Deutschland ausgebreitet. Der Wildhund lebt versteckter als der Waschbär und hat keinen geringelten Schwanz. Der Marderhund wurde ursprünglich als Pelztier nach Russland gebracht und dann in der Ukraine ausgesetzt. Von dort breitete er sich nach Südeuropa und schließlich auch nach Deutschland aus.
Marderhunde leben in Wäldern und Feuchtgebieten.
Sie leben mittlerweile überall in Deutschland, doch am stärksten verbreitet sind sie in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Die anpassungsfähigen Tiere sind Allesfresser und ernähren sich von Pilzen, Früchten und Aas. Sie gelten nicht als Bedrohung und daher nicht als invasiv.
Spanische Wegschnecke als Schädling in Garten und Landwirtschaft
Die Spanische Wegschnecke ist eine Nacktschnecke, die der heimischen Roten Wegschnecke ähnelt und ihren Ursprung auf der Iberischen Halbinsel hat. Sie wurde vermutlich durch Obst- und Gemüsetransporte nach Mitteleuropa eingeschleppt und hat sich stark vermehrt. Inzwischen führt sie die Liste der häufigsten Schneckenarten in Deutschland an.
Zum Schutz vor tierischen Fressfeinden sondert die Spanische Wegschnecke aggressiven Schleim ab. Sie ist nahezu unempfindlich gegen Licht und Trockenheit und ernährt sich von Pflanzen. Daher richtet sie in der Landwirtschaft und in Gärten große Schäden an. Sie ist nicht nur deshalb bedenklich, sondern sie bedroht die einheimische Schwarze Wegschnecke und gilt daher als invasiv.

Die Spanische Wegschnecke ist eine Nacktschnecke, die der heimischen Roten Wegschnecke ähnelt und ihren Ursprung auf der Iberischen Halbinsel hat | Foto: ©geografika #92336589 – stock.adobe.com
Asiatischer Marienkäfer mit vielen Punkten
Der Asiatische Marienkäfer wurde in Deutschland im Jahr 2002 zum ersten Mal gesichtet und gilt als invasive Art. Er hat seinen Ursprung in Japan und China und wurde Ende des 20. Jahrhunderts zur biologischen Schädlingsbekämpfung nach Amerika und Europa eingeschleppt. Er breitet sich massiv aus und vermehrt sich stärker als die einheimischen Marienkäfer. In jedem Jahr bringt er es auf ein bis zwei Vermehrungszyklen mehr als heimische Arten von Marienkäfern. Er ist deutlich größer und frisst ungefähr das Fünffache an Blattläusen. Erkennbar ist der Asiatische Marienkäfer an den 19 Punkten auf dem Rücken. Er ist für die einheimischen Arten gefährlich, da er sie stark zurückdrängt.
Ochsenfrosch als Gefahr für heimische Frösche
Der Ochsenfrosch hat seinen Ursprung auf dem amerikanischen Kontinent und ist eine Bedrohung für die einheimischen Amphibien. Die Riesenamphibie wird bis zu 20 Zentimeter groß und ernährt sich von Fischen, Schnecken, Regenwürmern und heimischen Lurchen. Der Ochsenfrosch kann sich explosionsartig vermehren, da ein Weibchen ungefähr 20.000 Eier legt. In Deutschland hat er nicht so viele Fressfeinde wie in Amerika.
Vermutlich ist der Ochsenfrosch in Deutschland durch den Zoofachhandel in die freie Wildbahn gelangt.
Nandus in Mecklenburg-Vorpommern
Nandus sind flugunfähige Laufvögel, die ihren Ursprung in Südamerika haben und bis zu 30 Kilogramm schwer werden. In ihrer südamerikanischen Heimat leben sie in Savannen und im Grasland. Am Schaalsee in Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein hat sich inzwischen eine Population angesiedelt. Die Vögel brachen 1997 aus einer Farm aus. Die Population ist mittlerweile auf ungefähr 600 Tiere angewachsen. Die Küken und Jungvögel dürfen seit 2020 ganzjährig, die erwachsenen Vögel von November bis April bejagt werden.

Nandu in Mecklenburg-Vorpommern | Foto: ©Martin Grimm #382927228 – stock.adobe.com
Flamingos im Münsterland
Seit ungefähr 30 Jahren lebt im Münsterland, in der Moor- und Heidelandschaft in Nordrhein-Westfalen, eine Kolonie von Flamingos. Dabei handelt es sich hauptsächlich um die aus Südamerika stammenden Chileflamingos.
Vermutlich sind die Tiere aus Zoos oder privater Haltung geflohen.
Die Flamingos ernähren sich von Plankton und ziehen im September in die benachbarten, nahegelegenen Niederlande, wo sie überwintern.
Was tun gegen invasive Arten?
Anne Hanschke, Expertin beim WWF, erklärt, dass invasive Arten häufig ignoriert werden. Der WWF hat daher im kanadischen Montreal im Dezember 2022 ein Rahmenwerk zur biologischen Vielfalt erarbeitet. Bis 2030 sollen die Einführung und Etablierung invasiver Arten mindestens halbiert werden.
Mit strengen Einfuhrkontrollen und einem länderübergreifenden Transportwegemanagement lässt sich die Gefahr von invasiven Neozoen in Deutschland und anderen Ländern verringern. Der WWF spricht sich für ein Frühwarnsystem aus, mit dem diese Tiere rechtzeitig entdeckt werden.