Zahlreiche Flammschutzmittel sind umweltrelevant, da sie toxikologisch oder ökotoxikologisch bedenklich sind. Häufig verfügen organische und anorganische Flammschutzmittel über eine hohe Persistenz. Sie verbleiben über lange Zeit in der Umwelt und können sich negativ auf die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen auswirken.
Viele Flammschutzmittel wurden daher bereits verboten. Für einige dieser verbotenen Flammschutzmittel wurden Alternativen entwickelt, die weniger schädlich für die Umwelt sind.
Was sind umweltrelevante Flammschutzmittel?
Flammschutzmittel sind in zahlreichen Bauprodukten, aber auch in verschiedenen Bedarfsgegenständen wie Spielzeugen, Computern, Polstermöbeln, Teppichen oder Elektrogeräten enthalten. Abhängig von der Gefahr für die Umwelt haben Forscher die umweltrelevanten Flammschutzmittel in fünf Gruppen eingestuft:
- Anwendungsverzicht: Einige Flammschutzmittel sind für die Umwelt so bedenklich, dass auf deren Anwendung verzichtet werden sollte. In diese Gruppe gehören Tetrabromisphenol A oder Decabromidiphenylether.
- Minderung sinnvoll, Substitution sollte angestrebt werden: Da verschiedene Flammschutzmittel toxikologisch und ökotoxikologisch bedenklich sind, sollte der Einsatz gemindert werden. Eine Substitution dieser Flammschutzmittel ist daher erstrebenswert. Das betrifft Tris(chlorpropyl)phosphat und Tetrabromisphenol A.
- Problematische Eigenschaften, Minderung sinnvoll: Da die Flammschutzmittel für die Umwelt aufgrund der hohen Belastung bedenklich sind, sollten sie gemindert werden. Ein Ersatz ist jedoch nicht erforderlich. Das betrifft Antimontrioxid, Hexabromcyclododecan und Natriumborat-Decahydrat (Borax).
- Keine Empfehlung aufgrund von Kenntnisdefiziten möglich: Über diese Flammschutzmittel sind nur geringe Kenntnisse vorhanden. Eine Empfehlung ist daher nicht möglich. Das betrifft Pyrovatex CP neu, Resorcinolbisdiphenylphosphat, Bis(pentabromphenyl)ethan und Melamincyanurat.
- Anwendung unproblematisch: Bei Flammschutzmitteln, die für die Umwelt keine hohe Belastung darstellen, bestehen keine Bedenken bei der Anwendung. Sie eignen sich auch als Substitute für umweltrelevante Flammschutzmittel. In diese Gruppe fallen Ammoniumpolyphosphat, Roter Phosphor (mikroverkapselt) und Aluminiumtrihydroxid.
Einsatz von Flammschutzmitteln und aktuelle Regelung innerhalb der EU
Laut einer Marktstudie von Ceresana wurden 2013 weltweit ungefähr zwei Millionen Tonnen Flammschutzmittel verwendet. Der größte Verbraucher von Flammschutzmitteln ist Nordamerika, danach folgt Europa. China steht an dritter Stelle und verbraucht ungefähr ein Viertel der Flammschutzmittel, die weltweit hergestellt werden.
Für die Herstellung von Flammschutzmitteln werden immer noch ungefähr 40 Prozent des industriell verwendeten Broms verarbeitet. Die Zahl und die Arten der am Markt genutzten Flammschutzmittel sind unüberschaubar. In den Nomenklaturen gibt es unterschiedliche Ansätze, die zusätzlich Verwirrung schaffen. Vollständige Informationen zum tatsächlichen Einsatz der Flammschutzmittel liegen nicht vor. Ein grober Überblick über die am Markt genutzten Flammschutzmittel ist anhand der Publikation „A novel abbreviation standard for organobromine, organochlorine and organophosphorus flame retardants and some characteristics of the chemicals“ (Bergman et al, 2012) möglich. Das Umweltbundesamt hat bereits 2001 die Studie „Erarbeitung von Bewertungsgrundlagen zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel“ erarbeitet. Im Band I der Studie wurden bereits Ergebnisse und eine Übersicht zum Ersatz der umweltrelevanten Flammschutzmittel veröffentlicht.
Einige Flammschutzmittel sind für die Umwelt so bedenklich, dass sie als besonders besorgniserregende Substanzen (SVHC) eingestuft wurden.
In Europa kommt es auf ein hohes Maß an Sicherheit für Menschen und Umwelt an. Es geht darum, Schäden durch Chemikalien möglichst abzuwenden. Daher wurde die europäische Chemikalienverordnung REACH erarbeitet, die seit 2007 in Kraft ist. Die Europäische Chemikalien Agentur (ECHA) ist ausführendes Organ von REACH.
Zusätzlich gilt für Stoffe innerhalb der EU die Stockholmkonvention als weltweites Übereinkommen, um persistente organische Schadstoffe zu eliminieren. Die EU mit Ausnahme von Italien, aber auch andere Staaten sind Mitglieder der Stockholmkonvention. Beide Regelungen gelten in der EU gleichwertig. Im Zweifelsfall wird die strengere Regel angewendet. Hersteller und Verarbeiter in der EU müssen bei Flammschutzmitteln sowohl die Vorgaben der REACH-Verordnung als auch der Stockholmkonvention beachten.
Einstufung als besorgniserregende Stoffe
SVHC ist die Abkürzung für substances of very high concern, was besonders besorgniserregende Stoffe bedeutet. Flammschutzmittel, die als SVHC eingestuft sind, sollten durch weniger gefährliche Stoffe ersetzt werden. Laut REACH-Verordnung werden diese Stoffe folgendermaßen definiert:
- krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende (reproduktionstoxische) Stoffe der Kategorien 1A oder 1B nach CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008
- persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe nach den Kriterien des Anhangs XIII der REACH-Verordnung
- sehr persistente und sehr bioakkumulierbare Stoffe nach den Kriterien des Anhangs XIII der REACH-Verordnung
- Stoffe, die wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge wahrscheinlich schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben, aber zu den drei anderen Gruppen nicht zugeordnet werden können, darunter endokrin wirksame Stoffe
Folgen für Flammschutzmittel, die als SVHC eingestuft wurden
Flammschutzmittel, die als SVHC eingestuft wurden, sollen eingedämmt werden und müssen ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Diese Flammschutzmittel sollen schrittweise durch Alternativen ersetzt werden. Sie werden zunächst auf die Kandidatenliste für den Anhang XIV der REACH-Verordnung gesetzt. Im nächsten Schritt werden sie auf der Kandidatenliste nach der Dringlichkeit der Zulassung geordnet. Dabei geht es um die folgenden Kriterien:
- besorgniserregende Eigenschaften
- Exposition und Verbreitung weltweit
- registrierte Gesamtproduktionsmenge
Sobald ein Flammschutzmittel in die Kandidatenliste aufgenommen wurde, muss der Hersteller die Konsumenten auf deren Anfrage über die sichere Anwendung informieren. Zusätzlich muss die ECHA darüber informiert werden, dass ein als SVHC eingestuftes Flammschutzmittel im Produkt enthalten ist.
Arten umweltrelevanter Flammschutzmittel und deren Charakteristik
Es gibt verschiedene Arten umweltrelevanter Flammschutzmittel, die durch unterschiedliche Eigenschaften gekennzeichnet sind:
- Hexambromcyclododekan (HBCD) gehört zu den halogenierten (bromierten) Kohlenwasserstoffen. Es ist persistent, giftig für Wasserorganismen, bioakkumulierbar und hat ein hohes Potenzial zum Transport über weite Distanzen. Eine toxische Wirkung auf den Menschen ist bislang nicht bekannt, doch im Tierversuch wurden Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit nachgewiesen.
- Tris(2-chlorethyl)phosphat (TCEP) ist in zahlreichen Produkten enthalten und gehört zu den Phosphorsäureestern. Es ist wasserlöslich und ein schwer flüchtiger organischer Stoff. Es gilt als fruchtschädigend und kann möglicherweise krebserregend sein.
- Decabromdiphenylether (DecaBDE) ist ein Diphenylether, dessen Halbwertszeit bei mehr als 180 Tagen liegt. Es ist daher persistent und gilt als neurotoxisch in der Embryonalentwicklung. Unter UV-Licht zerfällt es in zwei toxische Substanzen, die das Kind im Mutterleib schädigen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können. Sie sind für Wasserschutzmittel sehr giftig. Decabromdiphenylether wird bereits durch Antimontrioxid ersetzt. Auch Antimontrioxid kann vermutlich Krebs erzeugen.
- Kurzkettige Chlorparaffine (SCCP) können vermutlich Krebs erzeugen. Sie bleiben lange erhalten, da es für sie keinen biologischen Abbaumechanismus gibt. Wurden sie einmal vom Organismus aufgenommen, lagern sie sich im Fettgewebe ein und sind auch in Nerven und Hirnzellen zu finden.
- Borate sind Salze und Ester der Borsäure und gelten als reproduktionstoxisch.
Alternativen zu besorgniserregenden Flammschutzmitteln
Hexabromcyclododecan ist seit August 2015 gemäß REACH verboten. Es wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits durch polymer Flame Retardant (pFR) ersetzt, bei dem es sich um ein bromiertes Styrol-Butadien-Copolymer handelt. Das Ersatzprodukt ist durch eine hohe Persistenz gekennzeichnet, hat jedoch eine geringere Toxizität. Es ist in die Polystyrolmatrix eingebunden und daher nicht mehr wasserlöslich.
Langkettige Ammoniumphosphate können als Substitute für Flammschutzmittel für Epoxidharze und Polyurethane sowie in intumeszierenden Systemen genutzt werden.
Dimetylpropanphosphonat und Triethylphosphat können als Substitute für Flammschutzmittel in Montageschäumen dienen. Triphenylphosphat (TPP) ist eine Alternative zu kurzkettigen Chlorparaffinen in Brandschutzspachteln und Brandschutzbeschichtungen.
Substitution halogenierter Flammschutzmittel
Beim Ersatz halogenierter Flammschutzmittel zeichnet sich bereits ein Trend ab. Forscher arbeiten an Neuformulierungen, um halogenierte Flammschutzmittel zu ersetzen. Als Ersatz können phosphororganische Flammschutzmittel dienen.
Nicht immer ist eine Substitution von umweltrelevanten Flammschutzmitteln erforderlich. Auf Flammschutzmittel kann verzichtet werden, wenn die entsprechenden werkstofflichen und konstruktiven Lösungen im Brandschutz erarbeitet werden.