
Verhaltensregeln für Besucher zum Schutz der Antarktis | Foto: ©Asya M #45592984 – stock.adobe.com
Die Antarktis ist einer der letzten unberührten Orte der Erde – und zugleich bedroht wie nie zuvor. Wer sie besucht, trägt Verantwortung: für die Stille, die Tiere, das Eis. Warum jeder Schritt auf dem siebten Kontinent wohlüberlegt sein muss – und wie aus Respekt aktiver Schutz wird.
Antarktis : Kein Ort wie jeder andere
Wer in die Antarktis reist, verlässt nicht nur die gewohnte Welt, sondern begibt sich an einen Rand der Erde, der kaum berührt ist vom menschlichen Treiben. Die Landschaft ist überwältigend: riesige Gletscher, schneeweiße Ebenen, zerklüftete Eiskanten. Doch diese beeindruckende Schönheit ist fragil. In der Antarktis entscheidet nicht nur das Klima über ihre Zukunft – sondern auch das Verhalten jedes einzelnen Besuchers.
Seit in den letzten Jahrzehnten der Tourismus auf dem siebten Kontinent stetig zugenommen hat, ist die Frage nach dem richtigen Verhalten drängender geworden.
Die Antarktis ist keine Destination wie Paris oder Bali. Sie ist ein Naturraum ohne dauerhafte Bevölkerung, ein Ort, der nur existiert, weil die Menschheit ihn bislang – mit wenigen Ausnahmen – in Ruhe gelassen hat. Wer heute dorthin reist, ob als Tourist oder Wissenschaftler, steht in der Verantwortung, nicht nur seine Fußspuren zu verwischen, sondern am besten gar keine zu hinterlassen (Umweltbewusstes Reisen zur Antarktis).

Wer in die Antarktis reist, verlässt nicht nur die gewohnte Welt, sondern begibt sich an einen Rand der Erde, der kaum berührt ist vom menschlichen Treiben | Foto: ©Tony #377866877 – stock.adobe.com
Ein Vertrag gegen den Zugriff
Bereits 1959 einigten sich zwölf Staaten auf den Antarktisvertrag – ein Dokument von historischer Bedeutung, das bis heute den rechtlichen Rahmen für alle Aktivitäten auf dem Kontinent bildet. Es verbietet militärische Nutzung, sichert die freie wissenschaftliche Forschung und stellt den Umweltschutz ins Zentrum. Inzwischen sind über 50 Staaten diesem Vertrag beigetreten. Doch was auf dem Papier festgeschrieben ist, braucht in der Praxis klare Regeln – vor allem für jene, die die Antarktis bereisen.
Es ist ein bemerkenswerter Widerspruch, dass ausgerechnet der Kontinent, der keine dauerhafte Bevölkerung kennt, unter einem der strengsten Schutzregime der Welt steht. Doch dieser Widerspruch ist auch ein Glücksfall. Der Antarktisvertrag und das dazugehörige Umweltschutzprotokoll legen fest, was erlaubt ist – und vor allem, was nicht. Sie verlangen von allen Besuchern ein Verhalten, das in anderen Teilen der Welt oft erst unter dem Druck akuter Zerstörung eingeführt wird: Rücksicht, Vorsicht, Zurückhaltung.

Bereits 1959 einigten sich zwölf Staaten auf den Antarktisvertrag – ein Dokument von historischer Bedeutung, das bis heute den rechtlichen Rahmen für alle Aktivitäten auf dem Kontinent bildet | Foto: ©Sven Taubert #721247329 – stock.adobe.com
Tourismus als Gratwanderung
Der antarktische Tourismus bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Bewunderung und Belastung. In der Saison 2023/2024 wurden mehr als 100.000 Besucher gezählt – ein Rekordwert. Die meisten reisen an Bord von Kreuzfahrtschiffen, nur ein kleiner Teil betritt das Festland tatsächlich. Dennoch sind die Auswirkungen spürbar.
Lärm, Emissionen, invasive Arten in Kleidung oder Ausrüstung, selbst kleinste Mengen Abfall – all das kann ein empfindliches Gleichgewicht stören.
Deshalb gelten für Besucher strenge Regeln. Sie dürfen zum Beispiel keine Tiere berühren oder füttern, müssen einen Mindestabstand zu Pinguinen, Robben oder Vögeln einhalten und dürfen keine Pflanzen beschädigen. Was selbstverständlich klingen mag, erfordert in der Praxis Aufmerksamkeit und Disziplin. Denn das Verhalten der Tiere kann sich schon durch bloße Anwesenheit verändern. Ein Pinguin, der von seiner Brutstelle flieht, weil ein Mensch zu nahe tritt, gefährdet seine Nachkommen. Eine Robbe, die durch Lärm erschrickt, verliert möglicherweise ihren Ruheplatz. Und eine Pflanze, die von einem Stiefel zerdrückt wird, wächst dort vielleicht nie wieder.
Der Mensch als Störfaktor
Es ist eine bittere Wahrheit: In der Antarktis ist der Mensch fast immer ein Eindringling. Während Wissenschaftler unter strengen Auflagen forschen und leben, unterliegen Touristen oft einem anderen Rhythmus. Sie kommen für Stunden oder Tage, erleben das Außergewöhnliche – und reisen wieder ab. Was sie zurücklassen, ist nicht immer sichtbar. Doch gerade die Unsichtbarkeit der Spuren macht sie gefährlich. Keime, die in den Schnee gelangen, können sich im milder werdenden Klima halten. Mikroplastik, eingeschleppt durch Ausrüstung oder Kleidung, verteilt sich unbemerkt. Und selbst gut gemeinte Gaben wie Nahrung oder Schutz für Tiere können in der Folge Schaden anrichten.
Deshalb ist es nicht nur geboten, sondern notwendig, dass Besucher geschult und sensibilisiert werden. Veranstalter, die Mitglied in der International Association of Antarctica Tour Operators (IAATO) sind, verpflichten sich zu hohen Standards. Sie informieren ihre Gäste, führen Schulungen durch und begrenzen die Gruppengröße bei Landgängen. Keine mehr als hundert Personen dürfen gleichzeitig eine Anlandungsstelle betreten. Jeder Schritt wird geplant, jede Route vorher festgelegt. So soll verhindert werden, dass die Antarktis zu einem weiteren Schauplatz des Massentourismus wird.

Es ist eine bittere Wahrheit: In der Antarktis ist der Mensch fast immer ein Eindringling | Foto: ©NicoElNino #279037672 – stock.adobe.com
Respekt beginnt mit Vorbereitung
Ein Besuch in der Antarktis beginnt nicht mit der Ankunft im Eis, sondern mit der Vorbereitung davor. Wer sich auf eine Reise in diese Region einlässt, sollte nicht nur körperlich, sondern auch geistig gerüstet sein. Das bedeutet, sich mit den ökologischen Zusammenhängen vertraut zu machen, sich der Konsequenzen seiner Anwesenheit bewusst zu werden – und zu verstehen, dass der eigene Komfort nicht das Maß aller Dinge ist.
So wird etwa geraten, Kleidung und Ausrüstung gründlich zu reinigen, um keine fremden Samen oder Kleinstlebewesen einzuschleppen. Wer in der Nähe von Brutkolonien fotografiert, sollte keine Blitzgeräte verwenden und sich langsam bewegen. Jeder Schritt sollte überlegt sein, jede Handlung im Einklang mit dem Grundsatz stehen, keine bleibenden Spuren zu hinterlassen.
Die Antarktis braucht unsere Abwesenheit
Es mag paradox klingen, doch der beste Schutz der Antarktis liegt in ihrer Unzugänglichkeit. Je weniger Menschen sie betreten, desto größer ihre Chance, auch in Zukunft ein Ort der Stille, der Reinheit und der Unberührtheit zu bleiben. Doch dieser Idealzustand ist längst gefährdet. Die Klimaerwärmung schreitet auch im südlichsten Teil der Welt voran. Gletscher schmelzen, Eisflächen zerbrechen, Lebensräume verschwinden. In dieser Situation kann man argumentieren, dass jeder Besucher zu viel ist.
Doch man kann auch sagen: Wer kommt, um zu lernen und zu verstehen, wird eher bereit sein, zu schützen.
Die Antarktis ist ein Lehrmeister der Demut. Sie zeigt, wie klein der Mensch ist und wie groß die Verantwortung, die er trägt. Wer dort war, kehrt oft verändert zurück. Vielleicht liegt darin die Hoffnung: dass aus Begegnung Bewusstsein wird, und aus Bewusstsein Rücksicht.
Ein Ort für niemand – und für alle
Der Antarktisvertrag spricht davon, dass der Kontinent „nur für friedliche Zwecke“ genutzt werden darf. Das ist mehr als eine juristische Floskel. Es ist ein ethisches Fundament. Die Antarktis gehört niemandem – und zugleich allen. Sie ist ein gemeinsames Erbe der Menschheit, ein Ort, der uns an unsere Grenzen erinnert. Und genau deshalb verdient der eisige Kontinent mehr als bloßen Respekt. Er verdient Fürsorge.
Diese Fürsorge beginnt mit Regeln – doch sie endet nicht dort. Sie verlangt Achtsamkeit, Verzicht, Selbstbeschränkung. Sie fordert ein anderes Verständnis von Reisen, das nicht auf Erleben um jeden Preis zielt, sondern auf Teilnahme mit Verantwortung. Die Antarktis ist kein Ort zum Konsumieren. Sie ist ein Ort zum Staunen, zum Verstehen – und zum Bewahren.