
Umstrukturierung der Stromversorgung | Foto: ©Andreas Gruhl #1092680687 – stock.adobe.com
Eine Umstrukturierung der Stromversorgung hat in Deutschland bereits begonnen. Ein wichtiger Schritt dazu ist der Atomausstieg, der 2023 stattgefunden hat, als die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz genommen wurden. Die Stromversorgung trägt in Deutschland zu 30 Prozent der Treibhausgasemissionen bei. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Dekarbonisierung, der Kohleausstieg, ein weiterer Schritt zur Umstrukturierung. Um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten, muss die Stromversorgung möglichst schnell auf Erneuerbare Energien umgestellt werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat im Jahr 2023 die zehn erforderlichen Handlungsfelder für die Umstrukturierung der Stromversorgung näher beschrieben.
Ziele der Umstrukturierung der Stromversorgung
Das Umweltbundesamt legte bereits 2011 ein Hintergrundpapier zur Umstrukturierung der Stromversorgung vor. Dabei ging es um die Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke in Deutschland und den vollständigen Atomausstieg bis 2017. Der Atomausstieg im Jahr 2017 wurde nicht erreicht. Er erfolgte erst im April 2023 mit der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke. Im Hintergrundpapier kam das Umweltbundesamt zu dem Schluss, dass die Netzsicherheit auch bei einem vollständigen Atomausstieg gewährleistet ist und Stromimporte nicht erforderlich sind. Die Umstrukturierung in der Stromversorgung ist in vollem Gange. Erneuerbare Energien gewinnen immer mehr an Bedeutung. Die Pläne für die Umstrukturierung wurden konkretisiert.
Die Stromversorgung in Deutschland soll bereits 2035 nahezu klimaneutral sein.
Das bedeutet, dass sie durch Erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff erfolgt. Die Internationale Energieagentur IEA stellte fest, dass bis 2035 die Stromsektoren in den Industriestaaten klimaneutral sein müssen, um das Ziel von 1,5 Grad zu erreichen. Die Bundesregierung hat beschlossen, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Brutto-Stromverbrauch bis 2030 auf knapp 80 Prozent zu erhöhen. Gegenüber 2023 ist das eine Verdopplung. Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Brutto-Stromverbrauch lag 2023 bei ungefähr 40 Prozent.
Die wichtigsten Ziele der Umstrukturierung der Stromversorgung bestehen in Klimaschutz, Versorgungssicherheit und bezahlbarer Energie. Diese Ziele werden auch als energiepolitisches Zieldreieck bezeichnet. Bis 2035 soll die Stromversorgung zu nahezu 100 Prozent durch Erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff gewährleistet sein.

Die Stromversorgung in Deutschland soll bereits 2035 nahezu klimaneutral sein | Foto: ©bilderstoeckchen #1089421178 – stock.adobe.com
Umweltfreundliche Umstrukturierung der Stromversorgung
Bei der Begrenzung des Klimawandels nimmt die umweltfreundliche Umstrukturierung der Stromversorgung eine zentrale Rolle ein. Dabei geht es nicht nur um die Stromversorgung, sondern auch um die Dekarbonisierung von Wärmeversorgung, Industrie und Verkehr. Künftig werden große Mengen von treibhausneutralem Strom benötigt. Der effizienteste Weg ist der direktelektrische Einsatz von Erneuerbaren Energien. Die Stromversorgung muss treibhausgasneutral werden. So ist gewährleistet, dass sie umweltverträglich und ressourcenschonend ist.
Die RESCUE-Studie des Umweltbundesamtes von 2020 zeigt, dass eine treibhausgasneutrale Stromversorgung sicher und preisgünstig erreicht werden kann.
Zusammenhang zwischen nachhaltiger Energieversorgung und Stromnetz
Ein intelligentes Energiesystem ist ein zukunftsweisendes Konzept, das eine Umstrukturierung der Stromversorgung erfordert. Die entsprechenden Maßnahmen müssen auf der Erzeugerseite mit dem Lastmanagement, auf der Verbraucherseite mit für intelligente Energiesysteme geeigneten Endverbrauchstechnologien, Nutzerverhalten, Energieeinsparung, Endverbrauchstechnologien und Energiedienstleistung sowie auf Verteilerebene erfolgen.
Werden Erneuerbare Energien in die Energiesysteme integriert, kommt es abhängig von der Jahreszeit und der Wetterlage zu Überschüssen oder zu Defiziten. Dabei sind Zeiten ohne relevante Erträge aus Photovoltaik und Windkraft zu berücksichtigen, die eine große Herausforderung darstellen. Solche Defizite treten in den zentralen Wintermonaten auf, wenn auch der höchste Bedarf an Heizwärme besteht. Die Stromnetze werden durch Schwankungen belastet.
Die Belastung der Netze durch Schwankungen lässt sich verringern oder vermeiden, wenn Gebäude energieeffizienter gestaltet werden. Zusätzlich sind Regelungs-Flexibilität und Speicherfähigkeit erforderlich. Das Lastprofil kann im Sinne der Netzverträglichkeit mit einer vorausschauenden Regelung optimiert werden.

Werden Erneuerbare Energien in die Energiesysteme integriert, kommt es abhängig von der Jahreszeit und der Wetterlage zu Überschüssen oder zu Defiziten | Foto: ©Soonthorn #125016564 – stock.adobe.com
Kohleausstieg als wichtiger Bestandteil der Umstrukturierung der Stromversorgung
Ungefähr 70 Prozent aller Emissionen der Stromversorgung werden gegenwärtig durch die Kohlestromversorgung verursacht. Um bis 2030 die Klimaschutzziele für die Energiewirtschaft zu erreichen, muss bis dahin der Ausstieg aus der Kohlestromversorgung erfolgen. Die Stromerzeugung aus Kohle muss durch zusätzliche Erneuerbare Energien ersetzt werden. Im Juli 2020 hat der Bundestag einen Erschließungsantrag gestellt, der vorsieht, dass bestehende neuere Kraftwerke auf hocheffiziente und flexible Verstromung von grünem Wasserstoff umgerüstet werden.
Die Umrüstung auf Biomasse soll aus ökologischen und aus Klimaschutzgründen nicht erfolgen.
Stromversorgung in Deutschland auch mit Kohleausstieg gewährleistet
Für den Klimaschutz müssen die Kohlekraftwerke in Deutschland bis 2030 stillgelegt werden. Um die Stromversorgung weiterhin zu gewährleisten, sind Windenergie- und Photovoltaik-Kraftwerke erforderlich. Das Umweltbundesamt hat 2023 eine Studie über die Machbarkeit des Kohleausstiegs unter Gewährleistung der Versorgungssicherheit bis 2030 in Auftrag gegeben.
Die bisher durchgeführten Modellierungen ergaben, dass das aktuelle Strommarktdesign und die bereits vorhandenen Instrumente während der Umstellung auf eine klimafreundliche Stromversorgung ausreichen, um die Versorgungssicherheit auf einem hohen Niveau zu gewährleisten. Im europäischen Binnenmarkt kommt es auf Ausgleichseffekte für Strom an. Beispiele dafür sind Kraftwerksverfügbarkeiten, Lasten und Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in den einzelnen Ländern. Im europäischen Markt bestehen noch erhebliche Überkapazitäten. Die vom Netz genommenen Kohlekraftwerke müssen daher nicht vollständig ersetzt werden. Das aktuelle Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz fördert den Zubau hocheffizienter Gas-Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Der Zubau an Bioenergie-Anlagen wird durch das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert. Der Zubau an Erneuerungskapazitäten reicht daher aus.
Wie die Analysen zur Versorgungssicherheit zeigen, ist die Stromversorgung auch mit einem Kohleausstieg bis 2030 gewährleistet. Mit einer Umstellung neuerer Kohlekraftwerke auf die flexible Verstromung gasförmiger Brennstoffe werden auch weniger Bioenergie-Anlagen benötigt. Mit diesem Ansatz können gleichzeitig die ersten praktischen Erfahrungen mit grünem Wasserstoff und dessen Erzeugung, Transport und Verstromung gesammelt werden. Die Stromversorgung mit zusätzlichen Kapazitäten außerhalb des Strommarktes ist mit einer Kapazitätsreserve von 2.000 Megawatt und Besonderen Netzbetriebsmitteln von 1.200 Megawatt abgesichert. Das Versorgungssicherheitsniveau wird zusätzlich erhöht.

Für den Klimaschutz müssen die Kohlekraftwerke in Deutschland bis 2030 stillgelegt werden | Foto: ©Aufwind-Luftbilder #511821317 – stock.adobe.com
Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien
Für eine Umstrukturierung der Stromversorgung weg von Kohlestrom muss der Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigt werden. Dabei besteht weiterhin Handlungsbedarf. Neben dem Kohleausstieg ist eine verstärkte Integration von Sektorkopplungstechniken wie Elektromobilität oder Wärmepumpen erforderlich. Um das zu erreichen, müssen die Ausbauziele bei den Erneuerbaren Energien deutlich erhöht werden. Das erfordert große Anstrengungen bei der Umsetzung.
Der Stromverbrauch muss zusätzlich sektorübergreifend durch Effizienz und Suffizienz gesenkt werden.
Handlungsfelder bei der Umstrukturierung der Stromversorgung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat für die Umstrukturierung der Stromversorgung zehn Handlungsfelder definiert. Von diesen Handlungsfeldern sehen acht einen Zu- und Umbau der physischen Infrastruktur vor. Die Stromversorgung der Zukunft wird aus fünf Quellen gespeist:
- Wind an Land
- Photovoltaik
- Wind auf See
- Import von erneuerbarem Strom, darunter Wind auf See aus Nord- und Ostsee
- grüner Wasserstoff
Auch künftig kann auf Wasserkraft, Geothermie und Bioenergie nicht verzichtet werden. Viele Maßnahmen aus den Handlungsfeldern greifen ineinander und müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Um eine Umstrukturierung der Stromversorgung hin zu Erneuerbaren Energien zu erreichen, sind die folgenden Handlungsfelder erforderlich:
- Ausbau der Stromerzeugung aus Wind an Land, für die ausreichende Flächen erforderlich sind und die Genehmigungen beschleunigt werden müssen
- Ausbau der Stromerzeugung aus Photovoltaik mit einer Erleichterung der Errichtung von Freiflächenanlagen und von Photovoltaikanlagen auf Gebäuden, Beschleunigung der Netzanschlüsse und Gewährleistung von Investitionssicherheit
- Ausbau der Stromerzeugung aus Wind auf See mit Offshore-Windkraftanlagen, für die ausreichende Flächen benötigt werden und die Gewährleistung von Investitionssicherheit erforderlich ist
- Importkooperation und Interkonnektoren mit Nutzung von kostengünstigen Potenzialen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom und grünem Wasserstoff, Schaffung grenzüberschreitender Stromnetze
- Umbau des vorhandenen Kraftwerkparks hin zu Wasserstoffkraftwerken mit grünem Wasserstoff
- Ausbau des Strom-Übertragungsnetzes, um Strom über weite Strecken zu transportieren
- Ausbau des Verteilnetzes und Integration von Wärmepumpen, Elektrolyse und Elektromobilität durch vorausschauende Planung und Beschleunigung des Netzanschlussprozesses
- Gewährleistung der Versorgungs- und Systemsicherheit mit regelmäßigem Versorgungssicherheits-Monitoring
- Weiterentwicklung des Strommarkt-Designs und Schaffung von Investitionsanreizen sowie Investitionssicherheit
- Zusammenarbeit im Stromsektor auf europäischer Ebene und Vereinbarung gemeinsamer Ziele und Instrumente